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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2001/0227
„Forschungsstelle D" in Bisingen

Nun ist kaum anzunehmen, daß ein Mann wie Dällenbach je ernsthaft selbst
geglaubt hat, seinen Beschleuniger als Strahlenwaffe einsetzen zu können: als Experte
der HF-Technik mußte er wissen, daß die im Elektronenstrahl zu erwartenden
Leistungen um diverse Größenordnungen zu gering sein würden, um damit über
Distanzen von vielen Kilometern hinweg Fernwirkungen der von Schiebold beschriebenen
Art ausüben zu können. Es ist aber denkbar, daß Dällenbach, der seinen
Beschleuniger ja explizit als Alternative zu Zyklotron und Betatron konzipiert hatte,
das Interesse der Luftwaffe genutzt, d. h. die militärische Brauchbarkeit seiner Erfindung
wenn schon nicht behauptet, so doch zumindestens nicht dementiert hat, um
sich die Unterstützung der zuständigen Ministerien zu sichern. Unter dieser Prämisse
wäre es denn auch kein Zufall mehr, daß die Kooperation zwischen KWG und
AEG und damit Dällenbachs „Forschungsstelle D" exakt in dem Moment zustande
kam, als Schiebolds Initiative in die Gründung einer „Forschungsstelle der Luftwaffe
" in Groß-Ostheim einmündete (Juni/Juli 1943).

Der vermutete Zusammenhang ist umso wahrscheinlicher, als Dällenbach ab 1942
an einem Projekt gearbeitet hat, das vom RLM gefördert und kontrolliert wurde und
einen ähnlichen militärischen Kontext hatte; es firmierte unter dem Tarnnamen
„Hadubrand". Der aus dem Hildebrandslied, der germanischen Heldendichtung entlehnte
Name des auf Grenzwacht stehenden Kriegers Hadubrand deutet auf einen
Zusammenhang zur Luftabwehr hin: Tatsächlich ging es um Dällenbachs Vorschlag,
mittels intensitätsstarker Bündel ultraroter (= infraroter) Strahlung, also extrem kurzer
Mikrowellen, die sich im Zielpunkt schneiden, die Bombenlast herannahender
Feindflugzeuge zur Explosion zu bringen70.

Dällenbachs Vorschlag beruhte auf der Idee, durch Einstrahlung elektromagnetischer
Energie Moleküle in ihren Eigenfrequenzen anzuregen, wodurch, ausreichende
Absorption vorausgesetzt, eine chemische Kettenreaktion ausgelöst werden kann71.
„Ein Molekül mit innerer Instabilität oder ein homogenes oder inhomogenes
Molekül-Konglomerat mit innerer Instabilität, z. B. das Molekül eines homogenen
vorzugsweise festen und kristallinen Sprengstoffs, insbesondere eines sogenannten
Initialzünders, kann (...) dadurch zur Umwandlung, insbesondere zum Zerfall
gebracht werden"72. Als Strahlungsquellen wurden von Dällenbach Temperaturstrahler
für Ultrarot (= Infrarot, IR), insbesondere Lichtbogen in Edelgasen wie
Helium, vorgeschlagen. Die nötige Energiedichte sollte durch Bündelung bzw.
Fokussierung der IR-Strahlung mit Hilfe geeigneter Optiken erreicht werden.

70 Ein erster Hinweis auf dieses Projekt, allerdings ohne jeglichen Bezug zu Dällenbach, findet
sich bei Samuel Goudsmit: Alsos. New York 1947. S. 154.

71 Im Infraroten bzw. Mikrowellenbereich liegen häufig molekulare Eigenfrequenzen. Sie
können durch Elektronenstoßversuche, das ultrarote Absorptionsspektrum des Moleküls oder
durch den Smekal-Raman-Effekt (Streuung von monochromatischem Licht) bestimmt werden
. Bei ausreichender Absorption von Energie wird die molekulare Bindung und damit das
Molekül zerstört.

72 W Dällenbach: „Zerfall von Sprengstoffmolekülen durch elektromagnetische Strahlung",
03.07.1942 (Bundesarchiv, R 26 III, Nr. 500).

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