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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2001/0251
Südwürttembergische Regionalidentität und die Wiedereinführung der Konfessionsschule

Zu diesen mehr allgemeinen Aversionen gegen „Zentralismus", die also auch für
die Rekonfessionalisierung in Bayern und Rheinland-Pfalz gelten, kommen im Falle
Oberschwabens noch weitere spezifische Gründe dazu. Unbestritten dürfte inzwischen
sein, dass regionale Identität im Südwesten im Zeichen der neuen, durch die
Alliierten nach 1945 veranlaßten Grenzziehungen ein starkes Wiederaufleben erfährt;
dies gilt im Besonderen auch für Oberschwaben, wo eine im 19. Jahrhundert entstandene
oberschwäbische Identität eine Renaissance erfährt34. Wenn Elmar L. Kuhn
für 1848/49 von einer „Wende" im oberschwäbischen Regionalbewußtsein „getragen
von einer Identifikation mit einer triumphalistischen Kirche" spricht35, so wird man
doch ganz stark erinnert an das gesteigerte Selbstbewußtsein der Rottenburger Amtskirche
nach 1945, das sich auch in der kompromisslosen Forderung nach katholischen
Konfessionsschulen äußert. Für die Zeit nach 1945 wird man ebenso sagen
können, dass es sich um eine deutlich katholisches Gepräge tragende Regionalidentität
handelt, bei der kirchliche Identitätsbildung und regionale Identitätsbildung
Hand in Hand gehen und eine enge Symbiose bilden. Die Wiedereinführung der
Konfessionsschule ist in Oberschwaben damit eine Forderung neu gesteigerter kirchlicher
Identität und ebenso eine Forderung aus Gründen der ebenfalls neu belebten
Regionalidentität. Die Wiedereinführung der Konfessionsschule ist besonders in
Oberschwaben keine eigentliche bildungspolitische Entscheidung im engeren Sinne,
sondern Bestandteil der neuformierten oberschwäbischen Regionalidentität. Die
Wiedereinführung ist eine Machtdemonstration des neugewonnenen politischen und
kulturellen Selbstbewußtseins in Oberschwaben. Wie in Bayern ist die Konfessionsschule
Symbol einer erfolgreichen Abgrenzung gegenüber „Zentren", denen in einem
neubelebten Föderalismus Grenzen aufgezeigt werden sollen36. Erst durch diese Verbindung
mit dem stark anschwellenden Regionalismus erhält die Idee der Konfessionsschule
die entscheidende Schubkraft.

Eine weitere These sei noch angefügt. Die Forderung nach der Konfessionsschule
verbindet sich auch mit der Vorstellung, die katholische Bevölkerungsmehrheit der
Region habe sich als widerstandsfähiger gegen den Nationalsozialismus erwiesen als
die übrige Bevölkerung - an die oben zitierte Äußerung von Otto Eichenlaub sei
erinnert. Auch in der oberschwäbischen CDU existieren solche Denkmodelle. So
schreibt Bernhard Bauknecht, Vorsitzender des südwürttembergischen Bauernverbands
und Landtagsabgeordneter, in einem Papier „Zur Gründung der CDU in dem
früheren Land Württgb-Hohz": unter dem Druck der nationalso. Propaganda gründeten
wir 1928 die Zentrumsjugend Oberschwabens und entwickelten eine sehr starke
Aktivität in Stadt und Land. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass der
Nationalsozialismus keinen stärkeren Widerhall erhielt in dem katholischen Bevöl-

34 Siehe dazu Heinz Pfefferle: Identitätsbildung. Keine der bisher erschienenen Rezensionen
äußert Zweifel an der dort vorgetragenen These einer solchen Renaissance.

35 Elmar L. Kuhn: Die katholische Kirche. „Die wahre Gewinnerin" oder Opfer einer zweiten
Säkularisation? In: Ohne Gerechtigkeit keine Freiheit (Ausstellungskatalog). Hg von
Sonja-Maria Bauer/Dominik Burkard u.a. Stuttgart und Friedrichshafen 1999. S. 168-181,
S. 181.

36 Siehe dazu Jana Richter (wie Anm. 19) S. 52.

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