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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2001/0271
Besprechungen

litationsschrift ein historisches Exemplum für Zweifel an der Forderung nach einer
monographischen Habilitationsleistung abgibt, denn eigentlich war der Forscher
damals durch zwei Monographien (die Dissertation und das Hirsau-Buch) und
mehrere wichtige Aufsätze ausgewiesen genug. Prekär ist das Verhältnis zu seinem
1957 in der ZGO erschienenen wegweisenden Aufsatz zur Adelsproblematik, dessen
programmatische Formulierungen die Habilitationsschrift nicht zu übertreffen vermochte
.

Aufmerksamkeit verdient heute meines Erachtens vor allem der erste Hauptteil
(S. 9 - 49), dessen Ausführungen über das Geblüt von Schmid in seinen folgenden
Veröffentlichungen allenfalls am Rande wiederaufgenommen wurden. Er stellt
zugleich eine nützliche Sammlung von Belegstellen für die Rolle des sogenannten
Geblütsdenkens im frühen und hohen Mittelalter dar. Aus der „Behauptung von Personen
und Familien, gemeinsames Blut mit andern zu besitzen", leitet Schmid einen
adeligen (Grund-)Wert „Geblüt" ab (S. 18). „Adel, das ist Geblüt", heißt es an anderer
Stelle (S. 117). Es ist wohl kein Zufall, daß Geblüt in keinem späteren Aufsatztitel
Schmids erscheint, denn das Geblütskonzept verweist auf fragwürdige Wissenschaftstraditionen
. Daß die Auffassungen von Karl Hauck, niedergelegt in einem
Aufsatz über „Geblütsheiligkeit" (1950), in hohem Maße ideologisch belastet waren,
ist offenkundig. Wenn bei Schmid das Geblüt als „numinose Macht" erscheint (S. 41)
und wiederholt als Handlungssubjekt auftritt, so steht diese Hypostasierung der von
Schmid vehement und zurecht propagierten Historisierung der Adelsforschung, in
der die Erkenntnis von der Geschichtlichkeit des Adels an erster Stelle zu stehen hat,
im Wege. Eine essentialistische Festlegung des Adels auf den erblichen Geburtsadel,
wie sie etwa in neuerer Zeit Otto-Gerhard Oexle vertritt, verfehlt die sozialgeschichtliche
Dynamik des frühen und hohen Mittelalters.

Man vermißt eine begriffsgeschichtliche Rückversicherung bei der Verwendung
von „Geblüt" als eines archaisierenden Forschungsbegriffs, der sich auf vermeintlich
eindeutige lateinische Quellenbefunde beruft. „Blut, das zusammengehört", so wird
Geblüt im Grimmschen Wörterbuch definiert, doch sollte man nicht übersehen, daß
die Belege erst im 16. Jahrhundert dichter werden. Heute wäre zu fragen, wie sich der
Diskurs über das (adelige) Blut (das Geblütsdenken) zur sozialen Praxis der auf Verwandtschaft
beruhenden Gruppenbildungen verhält. Die medizinischen Konnotationen
der Blut-Metapher werden von Schmid mit keiner Silbe angesprochen - sind
sie denn gänzlich unwichtig? Blut und Adel gehören eben zusammen - solche mit
überzeitlichem Anspruch auftretende Aussagen verweisen auf einen problemgeschichtlichen
Hintergrund im Kontext „rassistischer" oder „biologistischer" Diskurse
, der kritisch aufzuhellen bleibt.

Für das Spätmittelalter fehlen, soweit ich sehe, Vorarbeiten der deutschen Forschung
hinsichtlich der Verwendung der Blutmetapher durch den Adel. Die merkwürdige
Betonung des adeligen Bluts, die in der 1485/86 gedruckten „Schwäbischen
Chronik" des sogenanten Thomas Lirer begegnet (vgl. Klaus Graf, Exemplarische
Geschichte, 1987, S. 116, 157), ist wohl eher als Neuansatz denn als Zeugnis einer
ungebrochenen Kontinuität zu werten. Lirers Werk ist auch sonst einem „restaurati-
ven" adeligen Selbstverständnis verpflichtet, das die traditionellen Werte und die ständischen
Abgrenzungen hochhält. Den Text und seinen Geblüts-Diskurs in seiner

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