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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2001/0276
Neues Schrifttum

an diesem Punkt setzt die sozialgeschichtlich orientierte Arbeit von Peter Schuster an,
die als Habilitationsschrift von der Geschichtswissenschaftlichen Fakultät der Universität
Bielefeld angenommen wurde und wie andere jüngere Arbeiten zur „Kriminalitätsgeschichte
" des späteren Mittelalters und der Frühneuzeit - verwiesen sei nur
auf die Veröffentlichungen von Susanna Burghartz zur Delinquenz in Zürich Anfang
des 14. Jahrhunderts und von Gerd Schwerhoff über „Köln im Kreuzverhör" - am
Beispiel einer Lokalstudie wesentliche Erkenntnisse zur Rechtswirklichkeit bietet.
Einleitend referiert der Verfasser den aktuellen Forschungsstand unter besonderer
Einbeziehung der französischen Literatur, ohne sich zu sehr im Detail zu verlieren,
um sodann - ausgehend von einem „Plädoyer für eine Sozialgeschichte des Rechts" -
seine Fragestellungen präzise zu definieren und die Quellenlage zu reflektieren. Bei
seiner Analyse der Rechtspraxis geht es Schuster um die gesellschaftliche Funktion
des Rechts und seiner Anwendung. Er fragt dabei nach „Handlungsabsichten, -räumen
und -möglichkeiten der in delinquente und rechtliche Handlungen involvierten
Verbände, Gruppen und Personenen" (S. 16), wobei er die Herrschaft ebenso wie die
Beherrschten in den Blick nimmt. Thematisiert wird also im Sinne einer „politischen
Geschichte des Rechts" die Handhabung des Rechtssystems zur Bewahrung bzw.
Durchsetzung von Herrschaft. Indem Schuster die Rechtsnorm mit dem Urteil und
dem Vollzug des Rechts vergleicht, geht er Fragen nach wie „Wie bindend war für den
Richter das geltende Recht? Welche Vorstellungen von Gerechtigkeit prägten das
Handeln der Richter? Als wie bedrohlich nahmen Einwohner und richtende Obrigkeit
jeweils bestimmte Delikte wahr? Welchen Einfluss hatten die genaueren Tatumstände
und der soziale Status des Täters (arm und reich, Bürger und Nichtbürger)?
Welche anderen Faktoren, wie etwa politisches Kalkül, Machtsicherung oder die salus
rei publicae, bestimmten Rechtspraxis und Strafdurchsetzung? Welchen Einfluß auf
das Urteil und seine Durchsetzung hatten Täter und Opfer sowie Kläger? Inwiefern
wurde auf konkurrierende Herrschaftsansprüche, etwa die des pater familias, der
Zünfte, der Kirche oder fremder Herren, Rücksicht genommen?" (S. 19). Da für die
Reichsstadt Konstanz seit Beginn der vierziger Jahre des 15. Jahrhunderts in Gestalt
der Strafbücher eine besonders aussagekräftige Uberlieferung zum spätmittelalterlichen
Strafvollzug mit detaillierten Angaben zur konkreten Bußleistung und zur
Gnadenpraxis erhalten ist, hat Schuster seine Arbeit als Lokalstudie konzipiert, die
zur Auswertung eines Samples von nahezu 1.700 Einzelfällen auf den Untersuchungszeitraum
1430 bis 1460 beschränkt wurde. Der Zeitraum von dreißig Jahren
ermöglichte es dabei, das delinquente Verhalten einzelner Personen über einen längeren
Zeitraum hin zu betrachten.

Gegliedert ist die Arbeit in fünf größere Abschnitte. Das erste Kapitel beschreibt
die wirtschaftliche, soziale, demografische und politische Struktur der Reichsstadt
Konstanz um 1450. Der zweite Abschnitt („Gegen die Ordnung? Ausmaß und Formen
von von Delinquenz im spätmittelalterlichen Konstanz") befasst sich mit delin-
quentem Verhalten und seiner rechtlichen Würdigung, während im dritten Kapitel -
im Sinne einer „historischen Ortsbestimmung" der spätmittelalterlichen Rechtspraxis
- untersucht wird, welche individuellen und gesellschaftlichen Reaktionen auf
delinquente Handlungen im Spätmittelalter überhaupt möglich gewesen sind
(„Handlungsspielräume der Tatbeteiligten: Klage, private Einigung oder Rache?").

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