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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0373
Dietrich Bulach

Drei Tage nach diesem Verhör, am Vormittag des 3. Juli 1663, wird die von den
Zeugen schwer belastete Anna Maria vom Stadtknecht aus dem elterlichen Haus
geholt und in die fürstliche Kanzlei gebracht13. Auf Dr. Fischbachs Frage nach ihrem
Alter entgegnet sie ein Jahr, was den Kanzler im Protokoll zu dem korrigierenden
Zusatz veranlasst: ist aber gegen 7 JahrenH. In Wirklichkeit dürfte sie jedoch etwas
jünger gewesen sein15. Mit kindlicher Offenheit geht das Mädchen auf die ihm gestellten
Fragen ein und bezichtigt nicht nur sich selbst, sondern auch die eigene Mutter
der Hexerei: Ja, es könne auf der Gabel fahren und müsse sie dazu salben. Gelernt
habe es das Fahren von seiner Mutter. Als Salbe verwende es Fischschmalz mit
schwarzen Kernen darin und damit könne es auch lähmen. Die Mutter habe es ihr
aus einem Fässlein für Fischschmalz gegeben und ihr geboten, niemandem von der
Wirkung der Salbe zu erzählen. Der hellhörig gewordene Amtmann will die Sache
nun genau wissen. Erneut lädt er die Hauptbelastungszeugin vor. Doch Rosina
Haushartin scheint inzwischen der Mut zur (Un-) Wahrheit verlassen zu haben.
Plötzlich ist in ihrer Aussage nicht mehr von einer Hexensalbe die Rede, sondern nur
noch von einer Salbe gegen die Räude, die Anna Maria von ihrer Mutter besorgen
wollte16. Dies bestätigt anschließend auch die erneut befragte Weißgerbertochter,
ohne jedoch ihre zuvor gemachten Aussagen zurückzunehmen.

Nun war das Vorhandensein von Fischschmalz, auch Fischtran genannt, im Hause
eines Weißgerbers eine bare Selbstverständlichkeit, stellte es doch einen unverzichtbaren
Bestandteil innerhalb des handwerklichen Produktionsprozesses dar. Die
Weiß- und Sämischgerber, die im Unterschied zu den Rotgerbern keine großen
schweren Häute verarbeiteten, sondern aus Schaf- oder Ziegenfell feinere, wasserdichte
Ledersorten (v. a. Bekleidungsleder) herstellten, benötigten den Tran, um beim
Walken das unregelmäßig verteilte Wollfett des Fells (z.B. von Schafen) auszugleichen17
. Andererseits aber bildete Fett der Überlieferung nach auch die Basis so
genannter Hexen- oder Flugsalben, die dann mit Pflanzenextrakten angereichert wurden
. Dabei spielte die genaue Rezeptur bei den misstrauischen Untersuchungsbeamten
meist nur eine untergeordnete Rolle. Bereits der Besitz einer verdächtigen Salbe
konnte als wichtiges Indiz für den Pakt mit dem bösen Feind angesehen werden und
weitere Maßnahmen bis hin zur Folter nach sich ziehen.

Dass man das der Weißgerbertochter zur Last gelegte Delikt in den Akten bereits
als Giftmischerei deklarierte, zeigt, welche Bedeutung man der merkwürdigen Salbe
zugemessen hatte. Dabei ging es in erster Linie nicht um die vermeintliche Fähigkeit,

13 Diesmal neben dem Kanzler anwesend: Der Untervogt, dessen Hund angeblich vergiftet
werden sollte.

14 StAS, Dep. 39 (FAS), DH 1, T 7, Rub 74 (NZ) Nr. 1, Fasz.-Nr. 4, 3.7.1663.

15 Im Jahrgerichtsprotokoll 1660 (StAS, Ho 1, T. 7, Nr. 1506, fol. 468) wird Anna Maria zusammen
mit ihrem Bruder Balthas unter den jungen unmündigen Kindern aufgeführt. Da die
Familie zuvor drei Jahre außerhalb der Grafschaft lebte, wurden die dort geborenen Kinder erst
nach ihrer Rückkehr im Jahr 1660 in Hechingen registriert.

16 Räude: Begriff für jeden bei Mensch und Tier auftretenden Ausschlag mit trockener und
nasser Hautabschieferung („Schuppen").

17 Vgl. Zeitschrift Öko-Test, Februar 1995, Babyschaffelle.

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