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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0375
Dietrich Bulach

Zauberei bzw. Hexerei ermittelt wurde22. Der Blick auf eine von Schnell erstellte Liste
zeigt jedoch auch, dass diese Inquisition zumindest im Fürstentum Hechingen ein
Einzelfall blieb. Ganz anders hingegen in Hohenzollern-Sigmaringen. Dort wurden
in den darauf folgenden Jahren mindestens vier weitere Kinder der Hexerei angeklagt.
Gegen einen elfjährigen Hirtenknaben aus Laiz erging 1668 ebenso ein Todesurteil
wie gegen die elfjährige Anna Maria Sterk aus Engelswies (1679); deren achtjähriger
Bruder Johannes starb während der Haft, und nur ein sechsjähriges Mädchen namens
Maria Spen aus Engelswies wurde 1670 freigelassen23.

Uber die Gründe für diese Häufung von Kinderhexenprozessen ab Mitte des
17. Jahrhunderts ist viel spekuliert worden. Weber sieht in der Verschärfung der religiösen
Unterweisung von Kindern und Jugendlichen den Hauptgrund für dieses
Phänomen. Jahrhundertelang seien „Kinder im christlichen Hexenglauben erzogen
und mit dessen Hilfe diszipliniert worden. Hexen, Teufel und dämonische Bedrohung
motivierten zum rechten Glauben und zum rechten Verhalten." Laut Weber machten
sich nun im 17. Jahrhundert die Kinder und Kindergruppen „die zerstörerischen und
gewalthaft [sie!] destruktiven Inhalte und Kräfte des Hexenglaubens selbstmächtig zu
eigen", so dass ihre Selbstbezichtigungen und Denunziationen den Charakter einer
„Revolte" gegen den „religiösen und moralischen Zwang" von Seiten der Erwachsenen
annahmen24. Er begründet diese These mit den sich ständig wiederholenden
Klagen der weltlichen und kirchlichen Obrigkeit über die Boshaftigkeit der Jugend
und den Befunden aus den Inquisitionsakten, die häufig antireligiöse Aggressionen
und verbale Attacken der Kinder gegen die erziehungsberechtigten Erwachsenen
dokumentieren.

Ob die von Weber für den nachreformatorischen Protestantismus getroffene Feststellung
, der Hexerei verdächtige Kinder seien „sowohl Produkte der vehementen
(moralischen) Erziehungsanstrengungen des 17. Jahrhunderts als auch des Widerstandes
gegen diese" in selbem Maße für das katholische Hohenzollern gelten kann, sei
einmal dahingestellt. Kuhn-Rehfus sieht jedenfalls im Verhalten der Geschwister
Sterk eher einen Protest „gegen ihre bedrückenden Lebensverhältnisse und lieblose
Umgebung", den Versuch, „Aufmerksamkeit auf sich und ihre Not zu ziehen"25. Aus
unserem Fall der Weißgerbertöchter lässt sich kaum eine Revolte gegen Eltern oder
Obrigkeit herauslesen. Der Vater, Andreas Harting, spielt, wie meistens in solchen
Fällen, keine Rolle. Er bemerke nicht einmal, so Anna Maria, wenn die Mutter nachts
ausfahre, denn diese lege ein schwarz ahngebranntes Schein Holz neben ihn ins Bett.

22 Bezüglich der Diskussion über die Unterscheidung von Zauberei und Hexerei sei auf die
Arbeit von Peter Oestmann, Hexenprozesse am Reichskammergericht (wie Anm. 35),
S. 30-32 verwiesen.

23 Schnell (wie Anm. 1), S. 80f. Die Sigmaringer Verfahren wurden ausführlich von Maren
Kuhn-Rehfus bearbeitet: Mit dem greulichsten Laster der Hexerei angesteckte Kinder. Kin-
derhexenprozesse in Sigmaringen im 17. Jahrhundert, in: Aus südwestdeutscher Geschichte.
Festschrift für Hans-Martin Maurer, hrsg. von Wolfgang Schmierer u.a., Stuttgart 1994,
S. 428-446.

24 Weber (wie Anm. 18), S. 22.

25 Kuhn-Rehfus (wie Anm. 23, S. 431).

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