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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0377
Dietrich Bulach

Dass man ihre beiden Töchter vor diß mahl wieder entließ und ihnen ahnbefohlen
wurde, fleißig in die Kirchen zugehen, sich abendt und morgens wohl zuesezen undt
zuebetten, schien dafür zu sprechen, dass Kanzler Fischbach die Angelegenheit mit
Zurückhaltung behandelte und es bei der Ermahnung zum christlichen Lebenswandel
belassen wollte. Damit bliebe er im Rahmen einer Rechtspraxis, wie sie auch im
benachbarten Württemberg üblich war. Bei „weniger gravierenden Fällen", so Weber,
„verurteilte man Kinder und Jugendliche zu christlicher Unterweisung, Kirchenbuße
und Hausarrest. Diese Maßnahmen sollten die kleinen Delinquenten zur Besserung
anregen"27. Und dennoch: Die von Dr. Fischbach gemachte Einschränkung, die beiden
Mädchen vor dieß mal zu entlassen, ließ befürchten, dass man nicht vorhatte, die
Sache gänzlich zu den Akten zu legen.

Dieser Gefahr war sich wohl auch die Mutter bewusst. Anstatt mit ihren Töchtern
schleunigst nach Hause zu verschwinden, um kein weiteres Aufsehen zu erregen, verharrt
die Weißgerberin vor der Kanzleitür, bis Dr. Fischbach von ihrer Anwesenheit
erfährt. Mit unwirschem Tonfall heißt er die Frau schließlich eintreten: Was sie alda
zu schaffen, es habe sie niemandt gefordert? Die Weißgerberin versucht nun die Situation
zu retten und die ursprüngliche belastende Version der Hauptbelastungszeugin
Rosina Haushartin zu entkräften. Ihre Tochter Anna Maria sei zu ihr, der Mutter, nur
mit der Bitte gekommen, ob sie nicht eine Salbe gegen die Räude besitze; des Jägermeisters
Kinder litten daran. Darauf habe sie ihrem Kind etwas Fischschmalz mitgegeben
, denn das sei gut für diese Krankheit. Sie habe auch schon anderen damit
geholfen. Wenn die Kindsmagd diese Salbe aber als ein Hexen salb außgebe, thue es
solches auß straffmässiger Leichtfertigkeit, und sie hoffe, die Angaben des Schweizer
Kindermädchens führten nicht dazu, dass man gegen ihre jüngste Tochter mit Gewalt
vorgehen wolle.

Die große Angst der Mutter resultierte aus dem Wissen, dass im Extremfall
Hexenverfolger auch nicht davor zurückschreckten, gegen Kinder die Folter anzuwenden
- galt die Tortur doch nicht eigentlich der Person, sondern „letztlich der
bösen Macht selbst, die sich in ihnen manifestiert hatte"28. Tatsächlich ist die Situation
für die Weißgerberin und ihre Töchter noch brisanter als auf den ersten Blick
erkennbar. Dies enthüllen die weiteren Ausführungen der Frau, die sie in
beschwörendem Ton an den Kanzler richtet: Sie hoffe, man werde gegen ihr Kind
keinen Gewalt brauchen, wie gegen ihro vor 9 Jahren beschehen, als sie der leichtfertige
Oberambtman Schwegler f...] wider Gott undt Recht armseelig 38 Wochen
einmauren und zweymahl unschuldiger weiß durch den Henckher peinigen lassen
[...]. Sie seye nit ein solch Mensch, wie man sie hivor unverantworttlicher weiß mit
verübter Gewaltthat darfür gehalten, vertrau Gott und gnediger Obrigkeit, die
werden sie bey ihrer Unschuldt erhalten29.

27 Weber (wie Anm. 18), S. 232. Ähnlich verfuhr man in Hohenzollern-Sigmaringen anfänglich
gegenüber den mutmaßlichen Kinderhexen Sterck (vgl. Kuhn-Rehfus, wie Anm. 23,
S. 436).

28 Weber (wie Anm. 18), S. 234.

29 Wie Anm. 14.

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