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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0393
Dietrich Bulach

dürfte sie in Anbetracht der Produktpalette eines Weißgerbers keine Unbekannte
gewesen und in geschäftlichen Angelegenheiten des Öfteren ein- und ausgegangen
sein.

Unglücklicherweise war in dieser aufgeheizten Atmosphäre ihr Mann Andreas
Harting auch noch für längere Zeit von zu Hause abwesend. Von Amts wegen hatte
man ihn in die Niederlande verschickt, so dass er am 26. Februar 1652, beim alljährlich
abgehaltenen Jahrgerichtstag, als fehlend protokolliert wurde90. Man kann davon
ausgehen, dass er als Bote zu Fürst Eitel Friedrich unterwegs war, der sich wieder einmal
bei seiner Gemahlin in der Scheidestadt Bergen op Zoom aufhielt. Ob in dieser
Begegnung mit dem Fürsten vielleicht auch ein Grund zu suchen ist, dass die Weißgerberfamilie
später in den Verdacht der Zauberei und Hexerei geraten sollte, bleibt
Spekulation.

Ein gewichtiger Umstand, der mehr Licht in diesen Fall bringt, ist ebenfalls im
familiären Umfeld der Weißgerberin zu finden. Anna Marias Vater war in den Akten
der herrschaftlichen Justiz kein Unbekannter. Balthas Grün (geb. um 1591), ein eher
armer Genosse seiner Zunft (das Schusterhandwerk galt in dieser Zeit in Hechingen
als übersetzt)91, in zweiter Ehe verheiratet mit der jungen Anna Strobel92, hatte sich
schon einige Jahre zuvor verdächtig gemacht, weil man bei einer Durchsuchung seines
Hauses etliche Lutterische Bücher gefunden hatte. Grün war damals relativ
glimpflich davon gekommen und hatte versprechen müssen, sich dieser unerlaubten
ketzerischen Bücher sofort zu entäußeren^. Was die Regenten Hohenzollerns aus
pragmatischen Gründen bei der Anstellung von Hofmusikern oder Hofbeamten
meist toleriert hatten - nämlich ein anderes konfessionelles Bekenntnis -, war beim
gemeinen Untertanen in der Regel ruchbar94. Eitel Friedrich II. machte da keine Ausnahme
: Obwohl er sich wie seine Vorgänger gerne als energischer Wahrer des katholischen
Glaubens sah, hatte er beispielsweise keinerlei Bedenken, den aus dem protestantischen
Tübingen stammenden Prof. Dr. Johann Gerhard zu seinem Leibarzt zu

90 StAS, Jahrgerichtsprotokolle Hol, T 7, 1506, 26.2.1652, fol. 175.

91 Vgl. StAS, Audienzprotokolle Hol, T 8, Bd. 97, 31.8.1652, fol. 297: Hier werden 10 Schuhmacher
erwähnt, weshalb sich beispielsweise der junge Schuster Caspar Boll am 3.6.1654 eine
Auswandererlaubnis einholt (ebd. Bd. 99, fol. 69). Grün brachte in seine zweite Ehe gerade
einmal 50 Gulden ein, seine Frau 100 fl. Zum Vergleich: Ein Vierteljahr zuvor hatte beispielsweise
der Metzger Georg Barth die Witwe des langjährigen Lammwirtes Georg Bulach, Anna
Maria Geller, geheiratet. Sein Vermögen belief sich auf 1000 fl, das Ihrige auf 1200 fl.

92 Ebd. Bd. 92, 12.4.1636, fol. 71.

93 Urpheden, Hol, C II, 2aa, Nr. 956, dat. 18.1.1653.

94 Vgl. dazu beispielsweise Ernst Fritz Schmid: Musik an den Schwäbischen Zollernhöfen
der Renaissance, Kassel, Basel, London, New York, 1962, S. 177. Ein anschauliches Beispiel für
diese Doppelmoral zeigt auch eine Episode aus dem Jahr 1654, als der Hechinger Wachtmeister
Bartie Andreas in der Schankwirtschaft des Bäckers Michael von Ow im dienstlichen Übereifer
und mit gezückter Hellebarde etlich Officiervon Stuetgart[...]außfirstl. Bevelch befragt,
ob sie lutterisch oder catholisch seyen. Ein Befehl sei keineswegs ergangen, so später die peinlich
berührte Obrigkeit, was dem Wachtmeister eine Geldstrafe von 10 Pfund einbringt (Frev
192a/55a).

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