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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0442
Der Fürst und „seine" Hexe

Der unbefriedigende Ausgang dieses gewagten Experiments veranlasst Eitel
Friedrich, sich am Samstag, dem 5. September 1654, höchstpersönlich da hinzubegeben
, wo die Weißgerberin vor der Eh undt jüngsten wider mit ihrem Mann gewohnet
. In dem leer stehenden Haus ihres Vaters sucht er gezielt hinder dem Ofen,
dem Ort, der „seit früher Zeit ein Ort des Zaubers" ist, ein „Sitz verschiedener
Geister und Dämonen"312. Doch im Unterschied zu Goethes Faust, dem 150 Jahre
später Mephistopheles als fahrender Scholastikus verkleidet hinter dem Ofen hervor
entgegentritt um sich als des „Pudels Kern" zu entpuppen313, trifft Eitel Friedrich
hinder dem Gedäfer nur auf das Modell eines Kürchenthurnß, mit Farben angestrichen
. Dennoch ist auch er davon überzeugt, dem Teufel auf der Spur zu sein.
Obwohl Kirchturmmodelle auf den ersten Blick nun nicht gerade den Verdacht eines
Zaubermittel erwecken (wenn überhaupt, wäre in ihnen ein Beneficium, ein Abwehrmittel
gegen das Dämonische zu sehen), ist der Fürst sich sicher, das lange schon
vermutete zweite Malefizium der Weißgerberin in den Händen zu halten. Denn für
den abergläubischen Fürsten ergibt sich der Charakter des Gegenstandes nicht aus
irgendwelchen theoretischen Überlegungen, sondern aufgrund der praktischen
Auswirkungen, die er auf sein persönliches Wohlbefinden hat. Befriedigt stellt Eitel
Friedrich fest: So haldt solcher [Kirchturm] a loco removiert [vom Ort entfernt war],
hatt die Vexation [Plage, Anfechtung] nachgelassen. Form und Wirkung des gefundenen
Objektes hätten deshalb die starckhfej Praesumption hinterlassen, dass es sich
dabei um ein symbolum maleficium handle314. Der Verdacht der Zauberei gegen Anna
Maria Grün und ihre Familie hatte sich für ihn damit weiter erhärtet.

Am darauf folgenden Montag war Eitel Friedrich nach einem kurzen Wochenendaufenthalt
im Weckhenthal bei Rottenburg sowie einem nicht näher benannten
Saurbronnen auf dem Weg zurück nach Hechingen. Offensichtlich hatte er sich eine
Erholung für Körper und Seele versprochen und den Besuch der Heilquelle mit einer
Wallfahrt zur christlichen Gegenspielerin aller Hexen, der Gottesmutter Maria, verbunden
. In seinen Überlegungen hinsichtlich personam et maleficium, die er eine
Woche später niederschrieb, erwähnt Eitel Friedrich nicht, was ihm dort Genaues
widerfahren war; jedenfalls hatte er das Tal mit ziemlich starckher commotion animi
[Erregung des Herzens] verlassen. Vielleicht war ihm klar geworden, dass bei näherer
Betrachtung weder die in der Wohnung der Weißgerberin gefundene schwarze Salbe
noch das zuletzt dort entdeckte farbige Kirchturmmodell als ausreichendes Indiz für
ein erfolgreiches juristisches Vorgehen gegen die vermeintliche Hexe taugte. Deshalb
sah er offensichtlich nur noch eine Möglichkeit, die Weißgerberin endgültig zu
überführen: Er musste Pater Joseph dazu bewegen, die Wahrheit über die in der
Friedrichsburg gefundene Wachskugel auszusagen. Doch dies erforderte ein gründlich
geplantes Vorgehen: Damit Pater Joseph desto weniger Ursach bette, dz jenige zu
laügnen, wollte Eitel Friedrich mit ihm, der ihm dz Malefizium [...] eingelifertt hatte,
nicht eher darüber reden, als er mit andern Theologis derentwegen conferiert hatte.
Noch während der Fürst in solche oder ähnliche Gedanken versunken war, und noch

313 Johann Wolfgang von Goethe: Faust, Der Tragödie erster Teil, Studierzimmer (1320ff).

314 StAS, Dep. 39 (FAS), DH1, Rub 167, Nr. 7, 13.9.1654.

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