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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0445
Dietrich Bulach

Chance auf einen fairen Prozess. Allerdings sah sich der Fürst genötigt, seine Situation
neu zu überdenken, die zukünftige Vorgehensweise gegenüber der Weißgerberin
gründlich zu reflektieren und abzuklären. Wenige Tage nach Erhalt dieses mahnenden
Schreibens, am Sonntag, dem 13. September 1654, entwickelt Eitel Friedrich auf
15 handschriftlichen Seiten, unterteilt in 21 Abschnitte, seine Gedankengänge318 -
Reflexionen, die uns Aufschluss darüber geben, warum der Fürst mit seiner Gefangenen
weder so verfährt, wie sein kritischer Untervogt anmahnt, noch so, wie er es
mit vielen anderen verdächtigen Frauen zuvor getan hat, die im Schnellverfahren
verhört, verurteilt und ohne erkennbare Skrupel hingerichtet wurden.

Festzuhalten sei zunächst einmal, so Eitel Friedrich seinen Aufschrieb zögerlich
beginnend, dass er als weltlichter Herrscher {brachium saeculare) befugt sei gegen sie
zu verfahren, weil sie der Gewalt verdächtig und ertappt worden sei. Es stelle sich
jedoch die Frage, ob ein Aufschub (dilation) des Prozesses und des Urteils gegen die
Weißgerberin um der Heilung des Verzauberten - also seiner selbst - willen zugelassen
sei und wenn ja, wie lange. Wie sollte während einer solchen Frist gegenüber der
Verbrecherin dann verfahren werden, wie gegenüber dem Verzauberten und dem
Zaubermittel? Wäre dem Verzauberten eher auf dem Weg der ordentlichen Gerechtigkeit
(durch viam ordinariam justiciae) zu helfen oder durch Entsagung und Widerruf
seitens der Malefikantin bei anschließender Vernichtung des Zaubermittels? Man
könnte auch abwarten, ob das Malefizium, aus welchem Grund auch immer, nachlasse
, und, falls dem nicht so sei, von selbiger [Malefikantin] vernemmen, wie der
Sache liehe Ratth zu schaffen sei. Sollte die Weißgerberin hirentgeghen [...] hin-
gericht werden, würde mann weder durch Güette noch Schärpfe khein weitter
Nachrichtung von ihr [...] haben. Dann könne auch Pater Joseph, der das ein undt
andermahl, auf sein Ersuchen hin pro maiori informatione mit der Weißgerberin
conferiert habe, von ihr keine weitere Nachrichtung undt Information mehr erhalten
- oder wz sonsten ein Beichtvatter oder Geistlicher mit ihr ausrichten mochte oder
khondte. Schließlich habe die Weißgerberin vor ihrer Tat niemals gebeichtet, aber
danach.

Doch es gelte noch einen weiteren Gesichtspunkt zu berücksichtigen, der für eine
Dilation des Prozesses spreche. Er gehe davon aus, dass noch andere mehr Complicis
da seien, die auch Maleficia auf [ihn] gesteht betten. Diese seien nun aber eher durch
ein hinausgeschobenes oder vorübergehend ausgesetztes Verfahren zue schreckhen,
zuebewegen und zur Beseitigung des Malefiziums zu bringen als wenn man mit dem
Prozess schieinig sollte forttfahren. Auch durch eine definitiv abgebrochene oder aufgrund
der Verurteilung und Hinrichtung (per ipsam condemnativem et executionem)
unmöglich gemachte weitere Untersuchung würden die Complices nur wider keckher
und hartnackiger [...] gemacht. Als höchstem Richter in seinem Herrschaftsgebiet
(supremus in sua dhione judex) sei ihm deshalb erlaubt, was den untergeordneten
Beamten nicht möglich sei: Aufschub und Schonung zu gewähren, Gnade walten zu
lassen (dilationem, indelgentiam imu gratiam). Denn, so bringt Eitel Friedrich im
elften Abschnitt seine Überlegungen auf den entscheidenden Punkt:

318 Wie Anm. 314.
430


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