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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0491
Paul Münch

er nicht weniger als die wachsende Macht Preußens in Deutschland. Nachdem der
herabrollende Stein das Bild des deutschen Reiches im Norden zertrümmert habe,
werde er, so prophezeiht der fromme Rabbiner, bald auch das Bild im Süden im
Schwünge der Ereignisse beseitigen, um schließlich selbst zum hohen Berge zu
werden und die Erde zu erfüllen28. Den Verlust der Selbständigkeit der zollerischen
Fürstentümer deutet Mayer aus dem Bild der Lebensunfähigkeit kleiner, patriarchalisch
strukturierter, im Innern vom Parteienkampf zerrissener Staaten29, deren künftige
Existenz nur innerhalb größerer Einheitsstaaten gesichert sein könne: Aus Einem
Stoffe und aus Einem Gusse muß der ganze Staatskörper sein, der im sausenden
Webstuhl der Zeit nicht untergehen soll; sind aber die Theile zusammengefügt aus
Gold und Silber, aus Kupfer, Eisen und Thon, so ist das Bild ein künstlich geschraubtes
Gliederwerk, das in sich selbst zerfallen muß, denn es kann dem stürmischen
Drange nach Einheit nicht widerstehen*0. Der Vorsteher der israelitischen Gemeinde
befindet sich in völliger Ubereinstimmung mit der offiziellen, preußenfreundlichen
Deutung der Ereignisse, wenn er die Resignation der beiden zollerischen Fürsten in
diesem Kontext als nachahmenswerte, von der göttlichen Providenz gelenkte Taten
rühmt: Nicht umsonst ist es, daß unsere Fürsten allein den andern Regenten mit den
Beispielen der Selbstverläugnung vorausgingen, denn nicht ein geringes Opfer erfordert
es, die süße Macht der Regierung niederzulegen; nicht umsonst ist es, daß das
älteste Fürstenhaus in Schwaben seine Herrschaft aufgab, und daß der jüngere Zweig
des Hauses aus dem alten Stamme sich entfaltet, wie ein frischer Baum, der mächtig
seine Wurzeln und Aeste ausbreitet. Ja, groß sind die Werke Gottes, und sein Plane
sind tief; wir können seine Fügungen nur verehren, und seine Weisheit bewundern*1.

Auch der katholische Burgkaplan, Pfarrer Sautter aus Boll, stellte beim Akt der
Grundsteinlegung am 23. September 1850 in seiner Rede vor dem Kronprinzen
Wilhelm, dem späteren König und Kaiser, den Vorgang in einen heilsgeschichtlichen
Rahmen. Sein Thema war Psalm 29, 8: Herr! durch Dein Wohlgefallen hast Du
meinen Berg stark gemacht. Nicht weniger als die Burg Zion, die von Gott zur Herrscherin
der Reiche, und zur Königin der Nationen weit umher12 gesetzt worden war,
erschien ihm als Vorbild des Neubaus, auf dem offensichtlich der Segen Gottes ruhe:
Er, der Allerhöchste hat die Sprößlinge der einst hier lebenden Edlen groß und
mächtig gemacht, daß sie mit reichen Mitteln das Alte neuschaffen, und das Gewesene
sollten verjüngen können in königlicher Pracht; [...] er hat den Tag heute
glorreich kommen lassen, um uns den Genuß herrlicher Hoffnung und den schönen
Fernblick in die nahe Zukunft zu gewähren. [...] Hat sein Wohlgefallen den Berg bis
heute erhalten und ihn bewahrt zu dieser neuen Geburtsstunde, so wird er ihn auch
stark machen durch seine Huld**.

28 Ebd., S. 6 f.

29 Vgl. ebd., S. 10.

30 Ebd., S. 11.

31 Ebd., S. 11 f.

32 Verordnungs= Anzeigeblatt der Königlich Preußischen Regierung zu Hechingen v. 28.
September 1850, S. 212.

33 Ebd.

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