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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0493
Paul Münch

In seinen genealogischen Studien führte Stillfried den Ursprung der Hohenzol-
lerndynastie bis auf Karl den Großen zurück, eine in den Geschichtskonstruktionen
des Adels übliche Praxis. Die Geschichte der Hohenzollern beschrieb er als kontinuierlichen
Aufstieg vom schwäbischen Grafengeschlecht zum preußischen Königtum39
. Wegen der Bedeutungslosigkeit der Dynastie im Mittelalter mühte sich Stillfried
in seinen Schriften unentwegt, Verbindungen der Hohenzollern zu den Kaisern
des Reiches nachzuweisen. Geradezu besessen konstruierte dieser Herold der preußischen
Sache weitverzweigte, verwandtschaftliche Beziehungen zu den wichtigsten
Herrscherhäusern, insbesondere den Staufern und Habsburgern, um das Ansehen
der Dynastie zu steigern. So verschaffte er den Hohenzollern den erwünschten
Nachweis einer bis weit ins Mittelalter zurückreichenden Anciennität und versuchte
außerdem nachzuweisen, daß sich alle drei Zweige der Hohenzollern stets ihrer
Stammverwandtschaft bewußt gewesen seien und so ein leuchtendes Vorbild für die
zu erstrebende Einheit aller deutschen Stämme abgegeben hätten40. Wie aus seinen
Schriften und Skizzen hervorgeht, beabsichtigte Stillfried, im Wiederaufbau der Burg
die traditionsreiche Vergangenheit der Hohenzollerndynastie dem Dunkel der Geschichte
zu entreißen, die Größe des gegenwärtigen preußischen Staates darzustellen
und auf diesem ruhmreichen Fundament seine künftige historische Bestimmung zu
prognostizieren. Das Bildprogramm der Burg attestiert in diesem Sinne den Hohenzollern
rückblickend für fast alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens eine Führungsfähigkeit
, als Fürsten und Heerführer, in geistlichen Angelegenheiten und als
Streiter für Kaiser und Reich*1. Einzelne Baukomplexe erscheinen wie Stein gewordene
Stationen des Stufe für Stufe erfolgten Aufstiegs der Zollerndynastie, vom
Grafensaal über den Bischofs- und Markgrafenturm, den Fürsten- und Königsbau
zum Kaisertum, den Stillfried so nannte, weil Kaiser Friedrich III. im Jahre 1466
eigenhändig den Grundstein zum Wiederaufbau der Burg gelegt haben soll. Der
Vorgang ist nicht belegbar42, unterstreicht aber die Kaisernähe des im Mittelalter
unbedeutenden Geschlechts. Gerade der Kaiserturm und die Kaiserstatuen in der
Kaiserhalle sollten als Versprechen auf die Zukunft gelesen werden: Auf dem Weg
vom Grafengeschlecht in Schwaben zum Königshaus in Preußen fehlte den Hohenzollern
nur noch die Würde eines deutschen Kaisers^.

Die historisch drapierten Prätentionen, die den Neubau der Burg Hohenzollern
begleiteten und sich im Bau- und Bildprogramm niederschlugen, waren weder originell
noch singulär. Sie trieben ihre merkwürdigen Blüten aus einem Nährboden, der
- stärker als in jeder anderen Zeit - historische Argumente ganz unbefangen für politische
Zwecke nutzte. Kein Jahrhundert war geschichtsbesessener als das 19., das, wie
Friedrich Nietzsche warnte, stets in Gefahr war, von der Vergangenheit überwältigt,

39 Vgl. zum folgenden generell Bothe, Burg Hohenzollern (wie Anm. 10), S. 69 ff.; der Leser
erkennt leicht, daß ich dieser Arbeit viel verdanke.

40 Ebd., S. 192.

41 Ebd., S. 254.

42 Ebd., S. 226.

43 Ebd., S. 256.

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