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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0500
Rollender Stein und schlafender Kaiser

berg begann man sich nun für den Gedanken der deutschen Einheit unter preußischer
Führung zu erwärmen. Am 19. Juni 1870 brachte ein Extrazug zwölfhundert Anhänger
der Deutschen Partei aus Stuttgart und vielen weiteren württembergischen
Städten nach Hechingen65. In den überfüllten vierzehn Wirtschaften des Städtchens
erklangen ungezählte Reden und Trinksprüche, mit denen die national erregten Gäste
das Erstehen des einigen Deutschland feierten. Ein Redakteur der Schwäbischen
Volkszeitung, Dr. Schricker, erinnerte an die Rolle Bismarcks, der binnen kurzem
zustande gebracht habe, was Andere 30 Jahre lang zu ersingen, zu erturnen und zu
erreden66 gehofft hatten. Nachmittags bewegte sich ein riesiger Demonstrationszug
auf den Hohenzoller, wo man bei schönstem Wetter die Hallen des Schlosses besuchte
und Erholung und Stärkung in erfrischendem Getränke und kühlendem Schatten
fand. An diesem bedeutungsvollen Punkte erreichte die nationale Begeisterung ihren
Höhepunkt: Der Gipfel des Zollers erschien dem örtlichen Berichterstatter wie ein
riesiger, die Zeiten scheidender Markstein der Weltgeschichte. Die württembergischen
Gegner dieser politischen Wallfahrt [...] nach dem neuen Mekka67 verspotteten hingegen
die preußischen Schwaben und die erhoffte Einverleibung in den Nordbund.
Im Deutschen Volksblatt stellten sie den Zollern sarkastisch die Krone des auf dem
Schaffot ermordeten Geschlechtes der Staufer in sichere Aussicht.

5. DIE ZEIT DES KAISERREICHES

Nach der Kaiserproklamation in Versailles im Jahre 1871 stellte Stillfried die Büste
Wilhelms I. in der Kaiserhalle der Burg auf, um den Anschluß des preußischen
Kaisertums an die mittelalterliche Tradition öffentlich zu dokumentieren68. Im Bur-
genranking des Hofhistoriographen belegte der Hohenzoller fortan den deutschen
Spitzenplatz, ja im nationalen Uberschwang nach dem Sieg des deutschen Heeres
wies er der Burg gar einen herausgehobenen Wächterplatz in der klirrenden Verteidi-
ungsphalanx gegen den Erbfeind Frankreich zu. Die Hohenzollernburg fungierte nun
in geographisch fragwürdiger Perspektive als Teil jener Wacht am Rhein, zu der alle
Deutschen aufgerufen waren69.

65 Vgl. zum folgenden: Hohenzollernsche Blätter v. 22. Juni 1870.

66 Dieser Toast soll dem Löwen von Varzin sofort telegraphiert worden sein, worauf spät
Abends als Rückantwort des eisernen Grafen gekommen sei: Herzlichen Dank und landsmannschaftlichen
Gruß zurück vom Meer zum Fels. Bismarck.

67 Hohenzollernsche Blätter v. 24. Juni 1870.

68 Vgl. Bothe, Burg Hohenzollern (wie Anm. 10), S. 259.

69 Die letzte Strophe des Liedes von Max Schneckenburger lautet: Der Schwur erschallt, die
Woge rinnt, die Fahnen flattern hoch im Wind: am Rhein, am Rhein, am deutschen Rhein, wir
Alle wollen Hüter sein! Lieb Vaterland, magst ruhig sein, fest steht und treu die Wacht am
Rhein! (Hier zitiert nach dem durch das Königlich Preußische Ministerium für die geistlichen,
Unterrichts= und Medizinal^Angelegenheiten genehmigten und durch das Freiburger
Ordinariat approbierten Lehr= und Lesebuch für die Oberstufe an Volksschulen von Heinrich
Reiser. 5. Aufl., Stuttgart 1875, S. 274.

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