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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0502
Rollender Stein und schlafender Kaiser

Thele75, Rektor der Hechinger Höheren Bürgerschule, bezog den Kyffhäuser-Mythos
zehn Jahre später dezidiert auf den Zollerberg und das dort beheimatete Geschlecht76.
In langen, scheingelehrten etymologischen Deduktionen und mit großer mythologischer
Phantasie versuchte er zunächst helleres Licht auf den Namen dieses wichtigsten
und vielleicht auch schönsten aller deutschen Berge zu werfen und den Zoller als
einen vom römischen mons solarius abgeleiteten Sonnenberg zu identifizieren77. Als
solcher sei er in vorchristlicher Zeit der Sitz Wuotans gewesen, der nachweislich
die Beinamen Siegfried, Irminfried, Irminreich und Dietrich getragen habe. Nicht
direkt, wohl aber indirekt sei wohl auch Friedrich d. i. Friedensfürst glei-
chermassen eine treffende und schöne Bezeichnung desselben höchsten germanischen
Gottes, des Sonnengottes Wodan, gewesenn. Diese gewagte Vermutung nutzte Thele
sodann als Brücke zur Kaisersage. Bereits Grabbes Barbarossa hatte prophezeiht, daß
ihn einst andre Friedriche ersetzen würden, sei's aus dem eignen, sei's aus dem
Hohenzollerischen Hause79. Indem der wackere Schulmann, was nicht schwierig war,
nachwies, daß der Name Friedrich im Hohenzollerngeschlecht stets als Hauptpersonenname
gewählt wurde, glaubte er mit weiteren Konjekturen nachweisen zu
können, daß der in den Berg entrückte schlafende Kaiser Friedrich dem Zollern-
geschlecht entstamme und in Wahrheit nicht im Kyffhäuser, sondern im Zollerberg
ruhe80. Die zeitgeschichtliche Applikation des Kyffhäusermythos auf die Hohen-
zollern gründete Thele in gewohnter spekulativer Methode auf den nicht durch
Urkunden belegbaren81, aber durch Sang und Sage, Glauben und Sitten, Herz und
Gemüth des Volkes hinlänglich gesicherten Glauben an unseres Volkes weltgeschichtliche
Aufgabe, deren Erfüllung der „Kaiser Friedrich" zu seiner Zeit herbeiführen

75 Theodor Thele (geb. 1840), Lehrersohn aus Heiligenstadt auf dem Eichsfeld, hatte in Halle
und Münster Philologie studiert, promoviert und war danach in den Schuldienst getreten
(Neuß, Trier, Erkelenz). Er nahm an den Kriegen 1866 und 1870 teil und wirkte von 1874 bis
zu seinem Tod 1886 als Leiter der höheren Bürgerschule in Hechingen. Thele entwickelte,
getrieben von der besonderen Heimatliebe des Zugereisten, beträchtlichen lokalgeschichtlichem
Ehrgeiz. Als einer der ungezählten Schulmänner des Kaiserreichs, die sich wissenschaftlich
betätigten, publizierte er mehrere historische Studien, sämtlich in Hechingen: 1. Der Name
des Berges Hohenzoller, eine wissenschaftliche Abhandlung (3 Teile, Schulprogrammbeilagen
1880, 1881, 1883), 2. Friedrich, der Haupt - Personenname in dem Geschlechte Hohenzollem,
eine etymologisch-mythologische Untersuchung, zugleich ein Beitrag zur deutschen Kaisersage
(1881), 3. Hermes-Mercurius-Wuotan, eine Studie zur deutschen Mythologie (Schulprogrammbeilage
1883). Vgl. zu seiner Biographie das in der Hohenzollerischen Heimatbücherei
(Hechingen) verwahrte Konvolut (Sig. Ub 325).

76 Vgl. seine Schrift: Friedrich, der Haupt-Personenname (wie Anm. 75).

77 Vgl. seine dreiteilige Schrift, Der Name des Berges Hohenzoller. Das Zitat entstammt dem
3. Teil, 1883, S. 9.

78 Theodor Thele, Friedrich, der Haupt-Personenname (wie Anm. 75), S. 14.

79 Vgl. oben, S. 482.

80 Vgl. Thele, Friedrich, der Haupt-Personenname (wie Anm. 75), S. 15-30.

81 Was wir in dem Vorhergehenden entwickelt und erfolgert haben, kann durch Urkunden
nicht bewiesen werden; kein Pergament, kein Stein enthält irgend welche aufklärende oder
pfadweise Andeutung (ebd., S. 30).

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