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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0680
Zwangsarbeit und Ausländerbeschäftigung während des Zweiten Weltkriegs in Hechingen
10. RESÜMEE

Ein Aspekt, der in der geschichtswissenschaftlichen Diskussion eher wenig beachtet
wird, ist die demographische Seite. Während des Zweiten Weltkriegs erlebte Hechingen
dramatische Veränderungen im Bevölkerungsgefüge und einen erheblichen sozialen
Wandel. Das Gesicht der Stadt veränderte sich grundlegend. Am 31. Dezember
1944 lebten nach einer für die Militärregierung angefertigten Aufstellung 7636 Menschen
in Hechingen, der heutigen Kernstadt. Genau fünf Jahre vorher, Ende 1939,
waren es 5473 gewesen537. Das war ein Zuwachs um fast 40 Prozent. Zu Anfang des
Kriegs kamen die Rückwanderer aus dem deutsch-französischen Grenzgebiet, eine
Gruppe, die nicht lange blieb538. Dann folgten die Kriegsgefangenen, die Aufsehen
erregten, wie die Berichterstattung in der Tageszeitung zeigt. Zivilarbeiter stießen
dazu, dann die ersten Arbeiter von Firmen aus Ballungsgebieten. Schließlich kamen
vor allem seit dem Herbst 1943 die Umquartierten, Flüchtlinge des Luftkriegs, überwiegend
Frauen und Kinder. Die eindeutschungsfähigen Umsiedler ganz zum Schluss
waren bereits die Vorboten des Trecks der Heimatvertriebenen, den die Nachkriegszeit
bringen sollte.

Rund 1750 der 7636 Menschen, die in Hechingen sorgenvoll das Neujahr 1945
begrüßten, waren Flüchtlinge. Mindestens 200 Zivilarbeiter und 50 Kriegsgefangene
waren ebenfalls in der Stadt. Von den 5883 sogenannten Stammeinwohnern, die
Hechingen am 31. Dezember 1944 hatte, waren andererseits eine ganze Menge dienstverpflichtet
oder eingezogen und auf jeden Fall nicht da. Viele Menschen, die über den
Hechinger Marktplatz liefen, hatten wenige Jahre zuvor nicht einmal gewusst, wo
diese Stadt liegt. Die verbliebenen Hechinger saßen mit Essenern, Stuttgartern und
Berlinern an einem Tisch, aber auch mit Franzosen, Polen, Russen, Holländern,
Belgiern und anderen Nationen, wie die unermüdlichen behördlichen Warnungen
zum Umgang mit ihnen in den Kriegsjahren sehr wohl nahe legen.

Der soziale Wandel schloss die Nivellierung der Lebensumstände ein, die durch die
Marigelwirtschaft hervorgerufen wurde. Die Lebensmittel- und Konsumgüterbewirtschaftung
des Dritten Reichs brachte bei den Verbrauchern einen Kaufkraftüberhang,
der zu hohen Sparleistungen auf den Bankkonten, aber kargen Tischen in Speisezimmern
, Gasthäusern und Kantinen führte. In den Geschäften gab es nichts mehr zu
kaufen. Um den kräftigen Einwohnerzuwachs aufzunehmen, musste in den Häusern
zusammengerückt werden. Dachböden wurden mit Verschlägen versehen, Wohnungen
geteilt und untervermietet. Am Ende des Krieges wurden Gas und Kohle knapp,
und es blieb kalt in den Häusern. Der Sonntag war frei, gearbeitet wurde von Montag
bis Samstag den ganzen Tag. Zehn Stunden, sechsmal in der Woche, Überstunden
nicht eingerechnet. Gleichzeitig dürstete Hechingen in seiner knappen Freizeit nach

537 StadtAH, A200 Reg.-Nr. 9731, Requisitionen/Radioabgabe/Sonstiges. 2. Besatzungsangelegenheiten
, Einzelne Requistionen 1945-46. Standesamtsstatistiken vgl. in Hz. Bl. Nr.
108/10.05.1940, 70/24.03.1941, 44/22.02.1943, 28/03.02.1944, 35/10.02.1945.

538 Maren Kuhn-Rehfus, Streifzüge durch die Geschichte Hechingens (wie Anm. 78) S. 59,
und Dies., Hechinger Stadtgeschichte im Uberblick (wie Anm. 78) S. 11, zählt „rund 1850
Menschen" aus der Gegend von Kehl und Offenburg.

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