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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0739
Neues Schrifttum

halten mussten), auf Besteuerungsfragen und Gerichtskompetenzen. Ihnen fehlte der
ideologische „göttlich-rechtliche" Schub. Tom Scott plädiert dennoch dafür, das
„revolutionäre Potential" solcher Aufstände anzuerkennen (S. 368f.).

Der Widerstand im Klettgau (Hochrhein) erhielt Impulse durch den Bankrott der
Herrschaft (den Grafen von Sulz) und Versuche, Schulden auf die Untertanen abzuwälzen
. Gleichzeitig wehrten sich letztere im landschaftlichen Verbund gegen die
Türkensteuern. Spielraum erhielten die Rebellen vorübergehend - wie in vielen anderen
südwestdeutschen Kleinterritorien - durch die österreichische Schutzmacht. Die
Landesordnung von 1603 stellte einen Versuch dar, die vielfältigen Herrschaftskonflikte
durch eine Art Verfassung zu lösen (Winfried Schulze, S. 427f.). Während
die damit verbundene Policeygesetzgebung friedstiftend gewirkt haben dürfte,
wiesen im zweiten Drittel des 17. Jahrhunderts Thun und andere bernische Ämter,
insbesondere Saanen, die bernische Policeygesetzgebung zurück, da sie eigene Recht-
sprechungs- und Satzungskompetenzen gegenüber der städtischen Obrigkeit
behaupten wollten (Andre Holenstein, S. 69-84).

In die Widerstandsthematik des letzten Hauptteils wollen sich manche Beiträge
nicht so recht einfügen. Wolfgang von Hippel macht die spätmittelalterlichen Verträge
mit den als „Landschaft" verfassten Gotteshausleuten (S. 461) und weitere
Normierungen ihrer Verpflichtungen (S. 464f.) für die langfristigen Wohlstand des
Klosters Schussenried verantwortlich. Im eigenen Interesse stabilisierte das Kloster
die Besitzverhältnisse der Vollbauern, die mit 89 Prozent netto zu den Klostereinkünften
beitrugen (S. 462). Barocke Bautätigkeit und Dienstverhältnisse banden auch
ländliche Unterschichten ökonomisch an die Herrschaft (S. 466f.), während die
Armenfürsorge spärlich ausfiel (S. 473f.). Christian Pfisters klimageschichtliche Studie
über Getreideteuerungen zeigt die Problematik auf, Preisentwicklungen stringent
aus Klimaschwankungen bzw. Ernteausfällen zu errechnen (S. 443-455). Besitzübergaben
und Nachlassinventare aus dem Ackerbürgerstädtchen Höchstädt an der
Aisch ab 1694 weisen sehr genaue Bestimmungen auf, wie verwitwete Eltern auf dem
Altenteil von ihren Kindern versorgt wurden (Rudolf Endres, S. 475-483). Jon
Mathieu will unter der Leitfrage „What's Agrarverfassung?" (S. 485, 494) unter all
den rechtlichen, herrschaftlichen, demographischen und sozialen Faktoren ländlichen
Lebens in der Vormoderne „die politischen Aspekte [des Begriffs] wieder in
ihr Recht ... setzen".

Ins 19. Jahrhundert, gar direkt in die Gegenwart ausgreifende Gedanken verteilen
sich auf verschiedene Passagen des Bandes. Probleme beim Übergang „kommuna-
listischer" politischer Konzeptionen in die Moderne werden in einer Schrift sichtbar,
die Frederic-Cesar Laharpe 1790 über die revolutionären Ereignisse in der Waadt veröffentlicht
hat, die keine funtionierenden Landstände kannte. So fußte das politische
Leben - damit auch die Revolution - organisatorisch auf den Gemeinden. Laharpe
sah nun aber den Bürger (citoyen) als Träger aller politischen Rechte, so dass die
Funktionen des Gemeindewesens im Hegeischen Sinne faktisch beendet, auf eine
staatliche Ebene gehoben und somit doch bewahrt werden. In ihrer Gesamtheit blieben
die Gemeinden im 19. Jahrhundert ausdrücklich „vierte Staatsgewalt" (Andreas
Würgler, S. 141, 143). Hegel selbst benannte in seiner Frühschrift „Die Verfassung
Deutschlands" verschiedene historische Formen der Repräsentation (S. 506), die er

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