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Zu seinem Leben und zu seinen Briefen an die Fürstin Amalie Zephyrine

Verpflegungsmangel, die miserable Strasse von Twer nach St. Petersburg, auf der man
gleichzeitig angreifen und sich verteidigen müsse.

Napoleons Plan eines Marsches von Moskau nach St. Petersburg im Oktober muß als
Einfall der Verzweiflung und als „immer krassere Wirklichkeitsblindheit"27 gesehen
werden. Der Kaiser beugte sich schließlich den Argumenten seines tüchtigsten Marschalls
. Am 19. Oktober 1812, um Wochen zu spät, verließ Napoleon mit noch knapp
100 000 Mann die Stadt Moskau. Es begann jetzt endgültig „der große Schiffbruch
des Glückes"28. Murat, der stürmische Held des Vormarsches, wurde zum großen
Versager beim Rückzug auf die Strasse des Grauens. Während Marschall Ney, der
Herzog von Elchingen, immer mehr über sich hinauswuchs, je verzweifelter die Lage
wurde, umso schwächer als militärischer Führer wurde Murat. In Smorgony verließ
Napoleon, in der Nacht 5./6. Dezember 1812, seine noch rund 60 000 Mann starke
Grande Armee, um nach Paris zu eilen und dort neue Truppen auszuheben. Die
Führung sollten entweder Murat oder der Vizekönig von Italien, Eugene Beau-
harnais, Napoleons junger Stiefsohn, übernehmen. Er entschied sich dann aber für
Murat, weil dieser mehr Glanz verbreiten und besser imponieren könne. Aber jetzt
kam es nicht darauf an zu glänzen und zu imponieren, sondern auf Führungskraft in
verzweifelter Lage.

Murat war nunmehr, in Vertretung des Kaisers, Oberbefehlshaber der Grande
Armee, wonach er immer gestrebt hatte. Aber nun ließ er alle Bravour und erforderliche
Umsicht vermissen, verlor Wilna, wo sich große Vorräte befanden, die zur Versorgung
der verhungernden und erfrierenden Armee dienen konnten. In Posen
schließlich übertrug Murat, am 16. Januar 1813, eine fiebrige Erkältung vorschützend
und darauf hinweisend, daß er auch für sein Königreich Neapel verantwortlich sei,
den Oberbefehl über die Restarmee dem jungen Vizekönig Eugene und reiste nach
Neapel ab. Die Grande Armee, der er alles verdankte, hatte er in kritischster Lage im
Stich gelassen. Was Napoleon im „Moniteur" vom 27. Januar 1813 zunächst noch
schonend, dann aber immer heftiger kritisierte: Der König von Neapel, indisponiert,
hat das Oberkommando über die Armee dem Vizekönig Eugene übertragen. Dieser
ist geeigneter für größere Unternehmungen. Er besitzt das Vertrauen des Kaisers.
(Ubersetzung des Verf.). In einem Brief an Murat selbst ging Napoleon sehr viel
schärfer mit dem Schwager ins Gericht. Vous etes un bon soldat sur le champ de
bataille, mais hors de la, vous n'avez ni vigeur, ni caractere29. Und zu seiner Umgebung
sagte der Kaiser: Es ist unbegreiflich, wie ein so tapferer Mann zugleich so feige
sein konnte.

In Caserta, wo Murat am 31. Januar 1813 seine Familie wieder traf, war die Königin
Caroline über des Gattten plötzliche Heimkehr und seine Berichte vom Geschehenen
entsetzt. Sie erkannte sofort die Gefahr, zwischen alle Stühle zu geraten, glaubte
aber zunächst noch, der kaiserliche Bruder würde trotz der Katastrophe in Rußland
sich behaupten können. Am 4. Februar 1813 zog das Königspaar, von der Bevöl-

27 Wie Anm. 25.

28 S£gur (wie Anm. 25) S. 252.

29 Tulard (wie Anm. 1) S. 322.

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