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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0073
Die Sigmaringer Turner zur Mitte des 19. Jahrhunderts

Anwesenden gedacht, und sei deshalb aus dem Konzept gekommen - und sie müssten
damit zufrieden sein. Doch diese Erklärung wolle er bewusst nicht anführen. Sein
Stocken sei vielmehr dadurch zu erklären, dass er bei der Fahnenweihe erstmals in
seinem Leben öffentlich als Redner in Erscheinung getreten sei. Dann geht Rhein,
gleichfalls polemisch, zum Gegenangriff über und erhebt gegen seine Kritiker massive
Vorwürfe: Habe ich durch diese Beantwortung der Frage nun ihre Wissbegierde
befriedigt, so werden Sie auch so gefällig sein, mir einige Fragen zu beantworten. Ich
frage: 1. Wie kommt es, dass Einer wegen kleiner Vergehen manchmal streng bestraft
wird, während ein Anderer, der um viele Tausende betrug, straflos ausgeht? 2. Warum
wird nicht immer das Amtsgeheimnis aufs Strengste bewahrt? 3. Warum erhält
mancher Beamter, der seiner Stelle entsetzt wird, dennoch eine andere? Etwa weil er
doch der Herrschaft zur Last fiele? 4. Geht es an, dass man Taggelder von 3-4 Gulden
für auswärtige Geschäfte berechnet, während man unbeschäftigt zu Hause (?)
sitzt? Und warum sehen die Beamten in diesem Falle dem Einen durch die Finger,
während Sie einem Andern in ähnlichen Fällen augenblicklich entlassen? Dies waren
deutliche Wort, die akute Missstände und den Zeitgenossen bekannte Fälle ansprachen
.

Damit war der politische Teil der Veranstaltung beendet. Der Zug kehrte zum
Karlsplatz zurück, um zu Mittag zu essen. Es folgte das Freiturnen auf dem Turnplatz
, das - laut Bericht des Erzählers - auf eine Stufe mit den politischen Reden zu
stellen sei. Erglühten und begeisterten die vormittags gehaltenen patriotischen Reden
die Zuhörer allgemein und in hohem Grade, so überraschten sie nicht minder die
trefflichen Turnübungen, wobei die hiesige Turngemeinde alle Erwartungen übertroffen
hat, da sie nach wenigen Monaten der Übung mit den älteren Turnern glücklich
konkurrierte. Auch wenn nun das sportliche Turnen und im Laufe des Abends
das gesellige Beisammensein im Mittelpunkt standen, so scheint doch immer auch die
politische Rolle der Turner präsent gewesen zu sein. So schreibt der Erzähler, dass die
Turner in brüderlicher Eintracht und in republikanischen Siegeshoffnungen beisammen
saßen. Am Abend fand ein Turnerball im Gasthaus Bären statt.

Soweit die Darstellung der Fahnenweihe der Sigmaringer Turngemeinde aus der
Sicht der beiden damals in Sigmaringen konkurrierenden Zeitungen. Obwohl beide
sich immer unversöhnlicher gegenüberstehenden politischen Lagern angehörten,
kommt in den Zeitungsberichten die politische Intention der Veranstaltung deutlich
zum Ausdruck. Während diese vom republikanisch gesinnten Erzähler positiv gesehen
wird, lehnt der konstitutionell geprägte Volksfreund diese radikaldemokratische
Intention mit deutlichen und polemischen Wort ab. Doch es gibt noch eine dritte
Quelle, die von der Sigmaringer Fahnenweihe vom 17. September 1848 berichtet.
Durch glückliche Umstände ist das Protokollbuch der befreundeten Riedlinger
Turner erhalten geblieben28. Auffälligerweise wird die Sigmaringer Fahnenweihe, zu
der die Riedlinger Turner als Gäste und mit zwei Festrednern geladen waren, wesent-

28 Staatsarchiv Ludwigsburg (=StAL) E 320 Bü 13. In Auszügen abgedruckt in Steim,
Revolution (wie Anm. 16) S. 193.

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