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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0116
Barbara Guttmann, Ute Grau

industrie und als Heimarbeiter beschäftigten Personen listete für Tailfingen im April
1906 50 männliche und 200 weibliche Arbeiterinnen auf, die an „Rundmaschinen und
Nähmaschinen" arbeiteten. Neben 30 Jugendlichen waren außerdem 880 Kinder
beschäftigt: 265 Knaben und 615 Mädchen88.

Die Nähmaschine mussten die Heimarbeiterinnen selbst stellen, und wie der Wirker
seinen Rundstuhl so bezahlten sie sie in Raten ab. Mitte der 1890er Jahre kostete
beispielsweise eine Singer-Nähmaschine im Ratenkauf 135 Mark. Die wöchentlich zu
bezahlende Rate lag zwischen 50 Pfennig und 1,50 Mark, bei starker Benutzung war
die Maschine nach ca. fünf Jahren abgenutzt89.

Entlohnt wurden die Heimarbeiterinnen nach Stück der abgelieferten Ware, die
gelieferten Zutaten - Garne, Nadeln etc. - wurden vom Lohn abgezogen. Der Lohn
wurde mündlich vereinbart, Arbeitsverträge gab es nicht. Die Heimarbeiterinnen
mussten zur Ausgabestelle der Fabrik für Heimarbeit gehen, wo die Verteilung der
Arbeit durch sogenannte „Direktricen" erfolgte, von deren Wohlwollen sie mangels
Verträgen stark abhängig waren. Oft beklagten sich Arbeiterinnen über die Willkür
der Direktricen bei der Vergabe und bei der Abnahme der Arbeit. Die fertige Ware
musste in der Regel samstags abgeliefert werden. Da an diesem Tag alle Heimarbeiterinnen
ablieferten, bildeten sich oft lange Schlangen bis vor die Fabriken. Nur zögerlich
wurden von einzelnen Firmen beheizte Warteräume für die Heimarbeiterinnen
eingerichtet90.

15. FABRIKARBEIT - ARBEITSZEITEN UND ARBEITSBEDINGUNGEN

Da also viele Frauen, insbesondere wenn sie verheiratet waren, eine Arbeit zu Hause
oder zumindest in der Nähe ihrer Wohnung vorzogen, errichteten eine Reihe von Trikotfabriken
im Lauf der Jahre sogenannte Nähfilialen. Die Nähfilialen ermöglichten
verheirateten Frauen außerhäusliches Arbeiten, da lange Arbeitswege wegfielen und
die Arbeitszeiten teilweise flexibler gehandhabt wurden. Die erste Filiale einer Tail-
finger Fabrik gründete J. Conzelmann zur Rose 1897 in Bisingen. Mit dem raschen
Wachstum der Tailf inger Trikotindustrie nach der Jahrhundertwende konnte das örtliche
Arbeitskräfteangebot nicht mehr Schritt halten. Infolge des Mangels an weiblichen
Arbeitskräften am Ort breiteten sich Tailfinger Nähereien über den ganzen
Bezirk Balingen und darüber hinaus aus91. So arbeiteten schließlich immer mehr
Frauen in der Fabrik. 1911 berichtete die württembergische Gewerbeaufsicht: „Der
Heimarbeit verbleiben regelmäßig nur Frauen, die sich infolge körperlicher

88 StA Sigmaringen Wü 65/4, T 2, 1073, Statistik über die in der Hausindustrie und als Heimarbeiter
beschäftigten Personen. Für die Unterstützung bei der Sichtung des Quellenmaterials
im Staatsarchiv Sigmaringen danken wir Doris Muth.

89 Hausen (wie Anm. 34), S. 165.

90 Reinhard (wie Anm. 27), S. 51 ff.

91 Bergmann (wie Anm. 7), S. 15ff.

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