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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0123
Frauenarbeit in der Industrialisierungsphase

Woche zu verzeichnen. In einer Trikotfabrik wurden 50 Näherinnen täglich elf Stunden
beschäftigt, obwohl eine Erlaubnis zur Uberzeitarbeit nicht erteilt worden war.
Das Oberamt beauftragte den zuständigen Landjäger, den Sachverhalt zu überprüfen.
Dieser berichtete am 16. Januar 1910, eine „durchaus glaubwürdige" Näherin der Firma
habe bestätigt, dass seit Oktober 1909 über Zeit gearbeitet werde: Die Arbeitszeiten
seien von 7 1/2 Uhr bis 12 Uhr vormittags und nachmittags von 1 bis 7 1/2 Uhr.
Vesperpausen würden nur von den jugendlichen Arbeiterinnen gemacht, während die
übrigen unter der Arbeit etwas essen können... Dies wurde auch durch den Werkführer
bestätigt. Der Fabrikant erklärte, dass in anderen Tailfinger Trikotfabriken ebenfalls
über Zeit gearbeitet werde, ...da es überall an Näherinnen fehle117. Die Behörden
verzichteten auf weitergehende Maßnahmen gegen das Unternehmen, es wurde lediglich
zur Beachtung der gesetzlichen Arbeitszeiten angehalten, die weiteren genannten
Firmen sollten überprüft und über die gesetzlichen Bestimmungen erneut informiert
werden.

Doch im März 1910 musste die württembergische Gewerbeaufsicht zum wiederholten
Male einschreiten, nachdem ihr aus Tailfinger Arbeiterkreisen eine Beschwerde
zugegangen war, dass bei einer weiteren Firma die Näherinnen seit acht Wochen
eine tägliche Arbeitszeit von elf Stunden abzuleisten hatten. Die Gewerbeinspektion
ersuchte wiederum das Oberamt, der Beschwerde nachzugehen, und falls der Sachverhalt
zutreffe, Strafeinschreitung herbeizuführen. Der betroffene Fabrikant erklärte
jedoch bei einer am 7. März 1910 anberaumten Vernehmung auf dem Tailfinger
Schultheißenamt, die neue gesetzliche Bestimmung sei ihm nicht bekannt gewesen.
Dies erscheint anhand der Vorgeschichte nicht gerade glaubwürdig, die Gewerbeinspektion
sah dennoch von einer Aufrechterhaltung des Strafantrags ab118.

Die Gewerbeinspektions-Assistentin Grünau widmete ihr Augenmerk nicht allein
der Situation erwachsener Arbeiterinnen. Bereits im ersten Jahr ihrer Tätigkeit führte
sie eine Erhebung über die Beteiligung schulpflichtiger Kinder an der Erwerbsarbeit
durch. Sie berichtete, dass in einem nicht näher bezeichneten Ort mit ausgedehnter
Trikotindustrie eine größere Anzahl von Fabrikanten Schulkinder im Alter zwischen
sieben und 13 Jahren nach der Schulzeit am Nachmittag bis sieben Uhr abends in den
Fabriken zum Annähen von Knöpfen, Knopflochmachen etc. beschäftigten. In
Heimarbeit wurden schon Kinder ab dem sechsten Lebensjahr mit Häkelei, Stecken
und Durchlochen von Taillenstäben etc. bis in die Nacht hinein beschäftigt. Dabei
verdienten sie 2 bis 2 1/2 Pf. in der Stunde. Die Eltern waren teilweise durch den
„unzureichenden Verdienst des Vaters" gezwungen, ihre Kinder mitverdienen zu las-

119

sen1 .

Diese Vorgänge zeigen zum einen, dass die Trikot-Fabrikanten sich wenig um die
Einhaltung gesetzlicher Arbeitsschutzbestimmungen kümmerten. In ihrem Interesse
lag es, die Produktionskosten möglichst niedrig zu halten, d. h. die Arbeitskraft der

117 StA Sigmaringen Wü 65/4, T 2, 1170, Trikotfabrik Martin Conzelmann, Tailfingen, Januar
1910.

118 Ebd., K. Württ. Gewerbeinspektor an das Oberamt Balingen.

119 Jahresbericht der Gewerbeinspektions-Assistentin 1900, S. 132f.

111


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