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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0128
Barbara Guttmann, Ute Grau

Tailfingen Gäste gefunden haben. Sicher waren es, wie der Pfarrer ebenfalls bemerkte
, überwiegend Männer.

Ob Frauen nun ihr Mittagessen in den Gaststätten einnahmen oder nicht, es bleibt
in jedem Fall der Sachverhalt, dass die Arbeiterinnen für Familie, Haushalt und Kindererziehung
kaum Zeit hatten. So erscheint es als wenig aussichtsreiches Unterfangen
, wenn Kirchen und bürgerliche Frauenverbände die jungen Arbeiterinnen zu
„guten Hausfrauen" zu erziehen suchten. Zu diesem Zweck wurden u. a. Haushaltungsschulen
gegründet, beispielsweise vom Schwäbischen Frauenverein, der diese
1900 auch im „Neuen Albboten" annoncierte133. Die Fabrikinspektorin bemerkte
jedoch ganz treffend, dass der Besuch dieser Schulen nur mäßig bleibe, so lange der
Unterricht nicht obligatorisch sei und während der Arbeitszeit stattfinde: Es fällt den
Mädchen schwer, nach 10 u. 11-stündiger Arbeitszeit dem theoretischen u. praktischen
Unterricht zu folgen^.

Auch die um 1900 in Ebingen entstehenden Arbeiterinnenwohnheime, das evangelische
Vereinsheim, in dem sich heute die städtische Galerie befindet, oder das
katholische Marienheim, dienten nicht ausschließlich der Unterbringung lediger (auswärtiger
) Arbeiterinnen. Schutz und sittliche Überwachung gegenüber den mannigfachen
Gefahren einer Industriestadt... sowie Unterricht in hauswirtschaftlichen
Kenntnissen bezeichnete der katholische Pfarrer und Leiter des Marienheims als die
Ziele des Hauses. Angesichts des ...ausgesprochenen ZugfsJ dieser Mädchen zur
schrankenlosen Ungebundenheit sei das Heim mit 26 „Insassinnen" erstaunlich gut
besucht135. Ein Ebinger Fabrikant zahlte den Arbeiterinnen, die sich in einem Arbeiterinnenheim
aufnehmen ließen, auf ihren 14-tägigen Lohn zwei Mark zusätzlich, da
diese Mädchen den Anforderungen besser entsprächen136.

Die Haushaltungsschule des Marienheims wurde vom katholischen Arbeiterinnenverein
betrieben. Ab 1913 unterstützte die Gemeinde das Heim: Die Stadtpflege
übernahm das Gehalt für die Lehrerin sowie die Kosten für Heizung und Reinigung
der Räume137. In Tailfingen hielt die Gemeinde Kochkurse ab. Beim Schlussessen im
August 1911 war der (kommissarische) Schultheiß anwesend, der betonte, „...welche
nützliche Einrichtung die Abhaltung der Kochkurse für junge strebsame Mädchen
sei"138.

Die Bemühungen der Tailfinger Gemeindeverwaltung um die „Erziehung" der
Frauen zu Hausfrauen, ebenso wie die Äußerungen des Pfarrers, sind als Reaktionen
auf den sich in jenen Jahren vollziehenden grundlegenden gesellschaftlichen Wandel,
der auch Veränderungen der Geschlechterverhältnisse mit sich brachte, zu sehen. Das
bürgerliche Weiblichkeitsideal von der Frau als Hausfrau und Mutter, als „Hüterin

133 Neuer Albbote Nr. 7 vom 10. Januar 1900.

134 Jahresbericht der Gewerbe-Aufsichtsbeamten im Königreich Württemberg für 1900. Berlin
1901, S.140.

135 StA Ludwigsburg E 191 Nr. 3521, Marienheim Ebingen 1901 - 1919.

136 Jahresbericht der Gewerbe-Aufsichtsbeamten im Königreich Württemberg für 1900. Berlin
1901, s. 140.

137 StA Ludwigsburg E 191 Nr. 3521, Marienheim Ebingen 1901 - 1919.

138 Tailfinger Zeitung Nr. 121 vom 24. 8. 1911.

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