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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0129
Frauenarbeit in der Industrialisierungsphase

des Hauses", wurde zunehmend als Vorbild propagiert, auch für Schichten, deren
Lebensrealität, wie im Fall der Tailfinger Näherinnen, meilenweit von der bürgerlichen
Familie entfernt war139.

20. SOZIALE FRAGE UND FRAUENFRAGE

Die seit Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland geführte Diskussion um Frauenarbeit
hatte 1900 auch Ebingen und Tailfingen erreicht. Der „Neue Albbote" veröffentlichte
am 2. April 1900 einen Leitartikel „Die Fabrikarbeit verheirateter Frauen".
Es ist die Not, die bittere Not [...] welche überhaupt das weibliche Geschlecht in die
Fabrik treibt, war da zu lesen. Die heilige Stellung der Frau bestehe zwar wohl darin
, dass sie Hausfrau sei, doch sei angesichts der sozialen Lage an einen Ausschluss
der Frauen von der Fabrikarbeit überhaupt nicht zu denken140.
Über ein Verbot von industrieller Frauenarbeit diskutierten unterschiedlichste gesellschaftliche
Gruppen. Das gänzliche Verbot der Frauenarbeit in Fabriken verlangt
der sozial-demokratische Arbeiterbildungsverein zu Stuttgart..., war beispielsweise
schon in den aufgrund eines Bundesratsbeschlusses 1876 angestellten Erhebungen zu
Fragen des Arbeiterinnenschutzes im Königreich Württemberg zu lesen. Der Arbeiterbildungsverein
forderte, für jede von einer Arbeiterin frei gemachte Stelle sollten
nur noch Männer eingestellt werden. Gegen jegliche Beschränkung von Frauenarbeit
sprachen sich dagegen die Handelskammern aus, denn die von Frauen getätigten
Arbeiten seien größtenteils nicht für Männer geeignet: ...irgend leistungsfähige Männer
würden zu jenen Geschäften [die von Frauen getätigt] selbst gegen gute Bezahlung
sich nicht hergeben. Eine Übertragung von Frauenarbeit an Männer sei zudem
wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen, da ein gänzliches Verbot von Frauenarbeit
höhere Löhne nach sich ziehen würde und die Preise für die Produkte sich somit
erhöhten141.

Während einerseits teilweise selbst sozialdemokratische Kreise die Konkurrenz
von Frauen abzuwehren suchten, wurde aus anderen Kreisen das Schreckgespenst der
sozialdemokratisch emanzipierten Fabrikarbeiterin gezeichnet: Nichts ist so sozialdemokratisch
als die Fabrikarbeit verheirateter Frauen, schrieb Rudolf Martin 1896 in
der Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft. Er warnte vor dem nachhaltigen
Einfluss der Fabrikarbeit von Frauen für die Umgestaltung der menschlichen Gesellschaft
: Denn sie emanzipiert das weibliche Wesen. Das Weib wird [...] des rechnenden
Denkens mächtig, es wird aufgeklärt. Herzenskalt, bewusst142.

139 Karin Hausen: Die Polarisierung der Geschlechtscharaktere. Eine Spiegelung der Dissoziation
von Erwerbs- und Familienleben. In: Sozialgeschichte in der Familie der Neuzeit.
Hg. v. Werner Conze. Stuttgart 1976, s. 363-393.

140 Der Neue Albbote Nr. 77 vom 2. April 1900.

141 StA Ludwigsburg E 170, Bü. 396 Ergebnisse der über die Frauen- u. Kinderarbeit in den
Fabriken auf Beschluss des Bundesrats angestellten Erhebungen. Berlin 1876, S. 52f.

142 Rudolf Martin: Die Ausschließung der verheirateten Frau aus der Fabrik. Eine Studie aus
der Textilindustrie. Teil I und II. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 1896, H. 1
und H. 3, H. 3, S. 399ff.

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