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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0130
Barbara Guttmann, Ute Grau

Das Rad der Zeit war jedoch nicht mehr zurückzudrehen, die Trikotagenindustrie
wollte, wie auch andere arbeitsintensive Industrien, auf die Fabrikarbeit von Frauen
nicht verzichten.

Die Dimension der damit einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen, die in
jenen Jahren auch in vielen Tailfinger Familien ihre Spuren hinterlassen hatten, umriss
der „Neue Albbote" in einem Leitartikel vom Juli 1900: Die soziale Frage hängt mit
der Frauenfrage [...] zusammen, weil sie die Entstehung des modernen Arbeiterstandes
zur Folge hat, der keine Haushaltungen führt, wenigstens in dem Sinne nicht, wie
dies beim Bauer und dem Kleingewerbetreibenden der Fall ist14i.

Angemerkt wurde auch, dass man sich über die Folgen dieser Entwicklung, wie die
oft beklagte Vernachlässigung und Verrohung der Jugend, nicht beklagen könne, so
lange die Arbeitszeit der Arbeiterinnen so lang sei144.

In den folgenden Jahren wurden nun die gesetzlichen Arbeitszeiten verkürzt, und
im Lauf der Zeit setzte sich auch bei vielen Unternehmern die Erkenntnis durch, dass
ihre Arbeiterinnen mit kürzeren Arbeitszeiten leistungsfähiger waren und letztendlich
in weniger Arbeitsstunden die gleiche Leistung wie zuvor erbrachten.

Mit Etablierung der Fabrikarbeit vollzog sich jedoch auch eine Trennung von
Arbeitszeit und Freizeit, die der bäuerliche Arbeitsrhythmus so nicht gekannt hatte.
In der Folge suchten das auch in Tailfingen entstehende Bürgertum und die Arbeiterschaft
Möglichkeiten einer Gestaltung ihrer, wenn auch knapp bemessenen, arbeitsfreien
Zeit. Es entwickelte sich vor allem in Ebingen, aber auch in Tailfingen ein blühendes
Vereinswesen. So gab es u. a. einen Stenographenverein, einen Kaufmännischen
Verein und sozialistische Arbeitervereine. Der Radfahrverein führte die Menschen
zu sportlicher Betätigung, der Naturheilverein setzte sich in Ebingen für den
Bau eines Schwimmbads ein145. An den neuen Freizeitvergnügen partizipierten vor
allem Männer, während Frauen ihre „Freizeit" mit Hausarbeiten und Kindererziehung
verbrachten. So nahmen am Ausflug das Albvereins auf das Zellerhorn im Juni
1900 meistenteils Herren teil146. Doch der Turnverein Ebingen warb im April 1900
für sein neu eingeführtes Frauen- und Mädchenturnen mit dem Hinweis, dass es in
Württemberg derzeit immerhin bereits 700 Turnerinnen gäbe147.

Frauen betätigten sich in erster Linie in kirchlichen Vereinen oder z. B. im Tailfinger
„Singkranz", dessen Damenchöre für ihre gute Qualität berühmt waren148.

Im November 1900 wurde schließlich bei einer Wahlveranstaltung des Abgeordneten
und Kandidaten der Volkspartei im Landtag Hausmann sogar das Frauenwahlrecht
diskutiert. Ein Sprecher der Sozialdemokratie, die das Stimmrecht für Frauen

143 Der Neue Albbote Nr. 161, vom 13. Juli 1900.

144 Satz zu Kindergärten StA Ludwigsburg E 177 I Bü 2997, Beilagen, Verzeichnis über Kleinkinderschulen
1900.

145 Die Durchsicht des Neuen Albboten Jg. 1900 erbrachte eine Fülle von Berichten und
Annoncen unterschiedlichster Vereine.

146 Der Neue Albbote Nr. 145 vom 25. Juni 1900.

147 Ders. Nr. 97 vom 27. April 1900.

148 Ders. Nr. 35 vom 12. Februar 1900, Nr. 60 vom 13. März 1900, Nr. 123 vom 29. 5. 1900.

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