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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0159
Auf den Spuren des Hechinger Landgerichtsrats und Naturarzt Dr. Moritz Meyer

Wolfs,Ohmchen' erkennen. ,Ohm Kay', wie der Forstrat von seinen Patienten liebevoll
genannt wird, tritt auf im grünen Lodenzeug und wird geschildert als schlanker,
gebräunter Vierziger mit grauem Haarschopf25. Zusammen mit seinen Geißen, denen
er, auch hierin getreues Abbild Meyers, skurrile Namen gibt - das Engele, und das
Teufle, das Rösle und das Hansle, das Großbockele und das Butzle, usw. - wohnt
Ohm Kay im Haus Höllenheil, wo er die ,kleinen Leute' der Umgebung als Patienten
empfängt. Zum Beispiel den Bauern Quatember, den er vom geliebten Most
abbringen will, weil der den Darm lahm mache und den Magen in eine Saulederhaut
verwandle24. Darauf entspinnt sich folgender Dialog.
Quatember: Aber man kann doch nit verdursten, Herr Ohm!
Ohm: Ihr werdet nit gleich verdursten, Quatember. Gibt's etwa kein' Milch!
Gibt's etwa kein Wasser?
Quatember: Wasser?!

Ohm: So sauber, lebig und hell wie's aus den Herzadern der Erde kommt!
Quatember: Das schon... das schon; das Vieh säuft's ja auch.

Ohm: Natürlich säuft's Tier auch, Quatember, und weißt du auch, weshalb, weil's
Tier hundertmal klüger ist als wir in unsrer schlauen Dummheit! Weil's Tier noch ein
echt's Kind ist unsers Vaters des Himmels und unserer Mutter der Erde und weil wir
bloß geschraubte und getünchte Papperlapapps und Schaupuppen sind. (Warm:) Du
brauchst nur meine Ziegen und Böcke zu sehen, Quatember, die wissen genau, was
recht ist und was schlecht! Die fressen nit zu viel und nit zu wenig, die kennen ganz
genau ihre Gräslein vom dämpfigen Blähkraut, die sind morgens beim Hahnschrei
draußen und beim ersten Abendlüftlein ziehen sie heim. Hörst du, das ist das Rösle,
das ruft zum Melken; hat's nicht eine innige Stimm?
Quatember: Eine gut Plautz.

(Ohm begeistert dem Gemecker lauschend:) Einen Ton, einen Herzton, Quatember.
Du mußt wissen, Quatember, bei uns könnt's so auch sein; aber wenn der Ton vom
Herzen auch loskommt, gleich fällt von unserm Gehirnkasten ein Lappen Berechnung
herunter, oder Angst oder Eitelkeit oder sonst so ein Dämpfer, gleich rieselt aus
dem Oberstübchen Sand drauf; drum hat kaum ein Mensch einen reinen Ton mehr,
in der Stimm nit, im Aug nit, in seiner Sach nit. Unser Gefühl ist verdämpft und verläppert
, Quatember25.

Gut möglich, dass so ähnlich auch die Gespräche in Moritz Meyers ,Haus Erde'
abgelaufen sind, auch wenn durch die künstlerische Bearbeitung Wolfs hier natürlich
manches - liebevoll - satirisch verfremdet worden ist. Auf jeden Fall ist ,Die Schrankkomödie
' eine wahre Fundgrube für alle diejenigen, die sich für die medizinischen
und weltanschaulichen Uberzeugungen Meyers interessieren; insofern darf sie durchaus
der Novelle ,Das Öhmchen' zur Seite gestellt werden.

23 Ebd., S.318.

24 Ebd., S.345f.

25 Ebd., S.346f.

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