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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0162
Ines Mayer

Oberverwaltungsgericht in Berlin-Charlottenburg. Inzwischen war aber am 24. November
1938 eine neue Gemeindeordnung erlassen worden, die den Bürgermeister
ermächtigte, Nutzungsberechtigte, die nicht Gemeindebürger waren, ohne Entschädigung
vom Nutzungsrecht auszuschließen. Die Hohenzollerischen Blätter kommentierten
diese Maßnahme am 7. Dezember 1938 unter der Uberschrift Die Entju-
dung in Hechingen. Dort hieß es unter anderem: Zwei Hechinger Juden [Moritz
Meyer und Isidor Weil; Anm. I.M.] hatten damals noch die Unverschämtheit besessen
, gegen die Maßnahme des Bürgermeisters auf dem Verwaltungswege vorzugehen
. Die Fortsetzung des seither schwebenden und bis zur höchsten Instanz gelangten
Verfahrens wird sich jetzt erübrigen. In absehbarer Zeit wird auch in Hechingen
die Judenfrage der Vergangenheit angehören^.

Kurz zuvor, im November 1938, hatte Meyer und die Hechinger Juden eine weitere
Gewaltmaßnahme getroffen. Nachdem Reutlinger und Hechinger SA-Leute in der
.Reichspogromnacht' am 9. November die Synagoge in der Goldschmiedstraße zerstört
hatten, wurden am nächsten Tag auf Anordnung des Landrats mehrere Hechinger
Juden in Schutzhaft genommen, und zwar - so der Hechinger Bürgermeister in
seinem Schreiben an den Landrat - vormittags zwischen 6 u. 7 Uhr 7 Juden, nachmittags
um 2 Uhr noch der Jude Dr. Moritz Meyer35. Im Gegensatz zu den übrigen
,Schutzhäftlingen', die ins Konzentrationslager Dachau überführt wurden, ist Meyer
bald darauf wieder freigelassen worden36. Sein Waldbad fiel allerdings den Sachbeschädigungen
im Umfeld der Reichspogromnacht zum Opfer, es wurde von unbekannten
Tätern in der Nacht vom 10. auf den 11. November demoliert37. Vom Mai
1942 bis zu seiner endgültigen Verhaftung im Sommer desselben Jahres zog sich Meyer
dann noch für wenige Wochen in sein Blockhaus im Fasanenwald zurück.

34 Zitiert nach: Otto Werner: Die Juden in Hechingen während der Zeit des Nationalsozialismus
. In: 1200 Jahre Hechingen. Beiträge zur Geschichte, Kunst und Kultur der Stadt
Hechingen. Hechingen 1987, S.199-215; hier S.203.

35 Am Ende des Briefes heißt es: Es wird noch vermerkt, dass bei dem zuletzt festgenommenen
Juden Dr. Moritz Meyer der auf der Strasse hier angehalten wurde, eine 6,35mm Selbstladepistole
mit 8 Schuß festgestellt wurde. Die Waffe wurde ihm vor der Einlieferung auf der
Polizeiwache abgenommen.] Anzeige wegen unerlaubten Waffenführens wird dem Herrn
Obersta[atsan-]walt vorgelegt. Bericht des Bürgermeisters der Stadt Hechingen über die Ereignisse
vom 10. November 1938 an den Landrat. Staatsarchiv Sigmaringen Ho 235; zitiert nach:
Initiative Hechinger Synagoge e.V / Verein Alte Synagoge e.V (Hgg.): Juden in Hechingen.
Geschichte einer jüdischen Gemeinde in neun Lebensbildern aus fünf Jahrhunderten. Text und
Zusammenstellung der Dokumente von Casimir Bumiller. Hechingen 1991, S.62f.

36 Nach Aussage von Carl Hamburger sind Edmund Eppstein, Carl Levy und Moritz Meyer
deshalb wieder freigelassen worden, weil sie über sechzig Jahre alt waren. Carl Hamburger:
Geschichte über die Jüdische Gemeinde Hechingen nach dem 10. November 1938. [niedergeschrieben
am 5. April 1943 in Newark N.J.] Abgedruckt bei: Otto Werner: Leon Schmalzbach
(1882-1942), Lehrer und Rabbinatsverweser in Hechingen. In: ZHG 16 (1980), S.116-195;
hier S.191-193.

37 „In eine Ruine verwandelt" wurde das Waldbad wohl erst Mitte der 1950er Jahre; wie es
scheint, in einem Akt von sinnlosem Vandalismus. Vgl. Hakenmüller (wie Anm.5).

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