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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0167
Das Schlossfräulein. Die Haigerlocher Schriftstellerin Maria Batzer 1877-1965

auszeichnet ist seine Barmherzigkeit für die Verachteten. Was seine Pfarrkinder an
ihm ärgert, ist seine „Dolleranz", so daß er ohne konfessionelle Scheu das Taufpatenamt
für die sechs Buben seines lutherischen Pfarrkollegen aus dem Nachbardorf
übernimmt5.

In einem der dreizehn Stücke, in der Geschichte Überflüssig6, erscheint zum ersten
Mal - ohne benannt zu werden, aber unverkennbar - das Schloß in Haigerloch, das
dann für Maria Batzers Leben den Mittelpunkt und für ihr Werk den Schwerpunkt
bilden sollte. Sie erzählt darin vom „Resedentantchen", einer alten Geheimratstochter
, die im alten Schloss im fürstlichen Freilogis ihre Tage - einen wie den andern verbringt
. Die Geschichte berichtet, dass und wie dieses „Schlossfräulein" nicht „überflüssig
" bleibt.

Gleich im ersten Abschnitt tut man einen Blick in die Haigerlocher Schlosskirche.
Dort steht hoch oben im Kirchenschiff die lebensgetreue farbig gefasste Figur des
Hohenzollernfürsten Joseph Friedrich, und zu seinen Füßen wird er ausdrücklich als
„Renovator", als Erneuerer der Schlosskirche gekennzeichnet. Daraus wird in Maria
Batzers Geschichte die heilig gesprochene Renovatorin der Schloßkirche, die hochmütig
über die demütigen Beter wegsieht. Mit ihr wird das Schlossfräulein verglichen
. Genau so abweisend... sieht es aus. Wie das Schlossfräulein der Geschichte lebten
Maria Batzers zwei unverheiratete Tanten im Haigerlocher Schloss in fürstlichem
Freilogis. Die übrigen Bewohner waren Beamte des Oberamtes. So auch der Amtsrichter
. Kein Wunder, heißt es in Maria Batzers Text dann: Amtsrichters Thea sitzt im
weißen Schürzchen auf dem Brunnenrand und erzählt seinem Schulkamerädle 'Gendarms
Mathildele' aus dem Torwarthäuschen den Tauf schmaus. Dann wird der mühsame
Zugang zum Schloss beschrieben, doch die alte Burgvogtin scheut die hundert
Treppen nicht. In der Haigerlocher Wirklichkeit sind es ja noch ein halbes Hundert
Stufen mehr! Doch auch das Schlossfräulein scheut den Weg hinunter zum Marktplatz
- und damit in das echte Haigerloch - nicht:

Sie wandelt mit bedächtig trippelnden Schrittchen unter blühenden Kastanien die
Schlosssteige hinab. Im Städtchen unten wird sie als Frühlingsbote begrüßt...

Das Schlossfräulein geht zum einzigen Buchbinder, der der „haute finance" des
Städtchens alle Bedürfnisse aus Stuttgart kommen lässt. Er sonnt sich ... in der Haustür
.

„ Grüß Gott, Fräulein Karoline - ein halb viertel gekochten Schinken - weiß schon
- recht fein geschnitten und nicht zu fett - weiß, ich weiß" -

Dann bestellt das Schlossfräulein noch vom Kalb. Das nur auf Sonntag geschlachtet
wird, das „Brisle" - Brisle in Fastet - Brisle in Muscheln - ah, deliziös''.

5 Otto Werner weist in seinem MS „Biographische Notizen" nach, dass der Kooperator
Joseph Speh, geb. 1842 in Sigmaringendorf, gest. am 31. März 1915 in Rottenmünster, den
Ehrennamen „Pockenhairle" zugelegt bekam, als er sich bei der Pockenepidemie 1871 in der
Krankenseelsorge besonders auszeichnete. Die Stadt Hechingen wollte ihn sogar zum Ehrenbürger
machen. 1901 trat er in Hart seine letzte Pfarrstelle an.

6 Maria Batzer: Aus dem Leben. Erzählungen. Dresden 1906. Dort „Überflüssig" S. 97-108.

7 Wie Anm. 6 S.103.

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