Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
41(126).2005
Seite: 97
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2005/0109
Die Geschichte der Justiz in Hechingen

habe ich keine Zweifel, dass Heinrich Dietrich mit dieser Auffassung von der gesellschaftlichen
Rolle der Frau die Meinung der überwältigenden Mehrheit aller Bevölkerungsschichten
wiedergab, nicht nur der Männer, sondern auch der Frauen. Erforderlich
, so Dietrich weiter, sei deshalb die vollständige Ausschaltung der Frauen aus
dem Rechtswesen. Die betroffenen Frauen „müssten sich damit trösten, dass sie das
Opfer einer Zeitenwende sind." Ob dieser Trost angekommen ist, weiß ich nicht, aber
ansonsten kam es genau so, wie Heinrich Dietrich sich das gewünscht hatte - die
Frauen wurden 1935 vom Richteramt und in der Folgezeit auch von fast allen anderen
juristischen Tätigkeiten ausgeschlossen.

Heinrich Dietrich ging 1936 in den Ruhestand, zog nach Oberbayern und ist dort
1938 verstorben.

Exkurs

Erlauben Sie mir an dieser Stelle einen, wie ich meine, notwendigen Exkurs: Es ist,
wie gesagt, auf den ersten Blick unbegreiflich, wie ein Mann von der Statur und Intelligenz
eines Heinrich Dietrich dazu kam, sich - wie seine Amtsnachfolger in Hechingen
, wie viele Hechinger Richter und viele andere quer durch die sogenannte „Intelligenz
" - wie er also dazu kam, einem Rattenfänger wie Hitler nachzulaufen und sich
bei den NS-Machthabern anzubiedern. Die Frage ist ein Teil der immer wieder
gestellten Frage „Wie konnte es so weit kommen?", und ich will versuchen, sie wenigstens
in Stichworten zu beantworten.

Ich habe bewußt gesagt, es ist auf den ersten Blick unverständlich - nämlich dann,
wenn man die damaligen Vorgänge durch die entspiegelte Brille der Gegenwart
betrachtet. Tauscht man aber die Fielmann-Brille Baujahr 2005 mit der Nickelbrille
Baujahr 1930 oder 1933, dann wird das Verhalten von Heinrich Dietrich und das seiner
Generation einigermaßen begreiflich - begreiflich selbstredend nicht im Sinn von
billigenswert oder gar zu entschuldigen, sondern im Sinn von historisch nachvollziehbar
.

Diese Männer waren im autoritären wilhelminischen Geist erzogen worden, im
Elternhaus, in der Schule, auf der Universität und beim Militär; den ersten Weltkrieg
hatten sie fast durchweg als Offiziere, die meisten als preußische Offiziere, mitgemacht
. Das alles prägt.

Und dann kam 1918 die katastrophale militärische Niederlage, die man nicht wahr
haben wollte und für das Werk von politischen „Volksverrätern" an der „Heimatfront
" ansah, und es kam 1919 der demütigende Friedensvertrag von Versailles mit
seinen verheerenden wirtschaftlichen Auswirkungen und politischen Folgen. Die
Weimarer Verfassung, gemacht von Idealisten für Idealisten, war für die Bewältigung
der anstehenden Probleme völlig untauglich.

Spätestens zu Anfang der 30-er Jahre befand sich die Weimarer Republik wirtschaftlich
und politisch in einem erbärmlichen Zustand der Agonie. Viele, auch und
gerade aus der sogenannten Intelligenz, gingen spätestens jetzt auf Distanz zu diesem
Staat. Heinrich Dietrich und seine nationalkonservativ geprägte Juristengeneration
verachteten diese Republik und wünschten sich jemand, der mit alledem aufräumte
und wieder geordnete Verhältnisse herstellte. Hitler war nicht ihr Wunschkandidat,
aber er war - aus ihrer Sicht - immer noch bei weitem besser als diese jämmerliche

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