Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
41(126).2005
Seite: 98
(PDF, 38 MB)
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Peter Wax

Republik mit ihrem heil- und wirkungslosen Parteiengezänk. Hinzu kam, dass die
Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, zumindest auf dem Papier, legal zu
Stande kam, und hinzu kamen schließlich die unbestreitbaren wirtschaftlichen Erfolge
, die Hitler - auf Kosten einer weiteren Staatsverschuldung - alsbald nach der
Machtübernahme aufzuweisen hatte. Dass er mit den Linken, insbesondere mit den
Kommunisten aufräumte, lag ganz auf der hergebrachten nationalkonservativen
Linie. Wenn dabei auch noch die jüdischen Mitbürger rechtlos gestellt, menschenunwürdig
gedemütigt und schließlich beseitigt wurden, dann fanden das zwar viele, vielleicht
die meisten, aber durchaus nicht alle, einigermaßen bedauerlich, aber sie nahmen
es in Kauf.

Diese Analyse mit Sicht auf die Richter, die in Hechingen tätig waren, lässt sich fast
auf die gesamte Justiz im Dritten Reich übertragen.

Die eigentlichen Verlierer der Weimarer Zustände waren freilich die kleinen Leute,
die Arbeiter, die kleinen Angestellten, die kleinen Handwerker, von denen es vielen,
sehr vielen zu Anfang der dreißiger Jahre mehr als dreckig ging - man muss es so drastisch
sagen. Die Weltwirtschaftkrise hatte auf Deutschland besonders verheerende
Auswirkungen, mehr als auf jedes andere Land. Es herrschte Massenarbeitslosigkeit
bei kümmerlichen oder gar keinen Sozialleistungen. Im Winter 1932 auf 1933 hungerten
und froren Unzählige, es kam zu Hungerdemonstrationen, auch hier in
Hechingen, die bewaffneten Kader der Linken und Rechten lieferten sich Straßenschlachten
- und die demokratischen Parteien waren hilflos und handlungsunfähig.
Das gab allen Zulauf, die Ruhe, Ordnung, Arbeit und Brot versprachen, das trieb
Extremisten wie Hitler die Leute in großen Scharen in die Arme3. Als sich dann die
Situation nach der Machtergreifung schon im Lauf des Jahres 1933 deutlich und im
Jahr 1934 sehr nachhaltig zum vermeintlich Besseren änderte, als es wieder Arbeit
gab, als die Preise stabil blieben, als Ruhe und Ordnung, um welchen Preis auch
immer, einkehrten, kurzum: als Hitler scheinbar Wort hielt mit dem, was er versprochen
hatte, da waren es nur noch sehr wenige, die sehen und begreifen wollten, wohin
die Reise in Wirklichkeit ging. Und das mit den Kommunisten, den Juden und allen
anderen, die dem Regime mißliebig waren - nun ja, einer ist immer der Verlierer,
das hatte man am eigenen Leib erfahren, und jetzt waren es halt die Juden und die
Linken.

Das ist in Kürzestfassung die Antwort auf die Frage, wie es so weit kommen konnte,
wobei man über die eine oder andere Nuance sicherlich streiten kann.

Carl Lutterbeck

Carl Lutterbeck, der Nachfolger von Heinrich Dietrich als Landgerichtspräsident, ist
1878 in der Nähe von Münster in Westfalen geboren. Auch er war als preußischer
Offizier im ersten Weltkrieg. Für mich ist er das Musterbeispiel eines Parteikarrieristen
. Er war seit 1906 Richter in preußischen Diensten, seit 1913 als einer von drei
Amtsrichtern in Gladbeck. Dort gab er dem Landgerichtspräsidenten in Essen und

3 Auch wenn die NSDAP bei den Reichstagswahlen, soweit sie noch einigermaßen frei durchgeführt
wurden, nie die absolute Mehrheit erzielen konnte.

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