Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
41(126).2005
Seite: 194
(PDF, 38 MB)
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Neues Schrifttum

die Folter angewendet werden konnte. Beim Hexenprozess genügte eine Zeugenaussage
.

Der Inquisitionsprozess war insgesamt beileibe kein rechtsstaatlicher Prozess, wie
Ignor betont, wenn er etwa darlegt, dass der gesellschaftliche Stand des Beschuldigten
beim Verfahren eine Rolle spielen konnte. Allerdings war die Rechtlosigkeit auch
nicht so groß, wie häufig angenommen wird. Insgesamt verweist die Arbeit Ignors
deutlich auf den allgemeinen Verrechtlichungsprozess im Alten Reich.

Die allmähliche Säkularisation und insbesondere die Aufklärung bewirkten letztlich
eine Lösung von den theologischen Fundamenten des Inquisitionsprozesses verbunden
mit einer vehementen Kritik an dieser Prozessform. Im 18. Jahrhundert wurden
die Grundlagen für den Wandel hin zum modernen Strafprozess gelegt: Das Verbrechen
wurde nun als eine Verletzung des Gesellschaftsvertrags begriffen, als eine
Verletzung der gesellschaftlichen Normen. Der mit Gewaltbefugnissen ausgestattete
Staat sollte über die Einhaltung der Normen wachen. Das grundsätzliche Spannungsverhältnis
, Schutz des Unschuldigen - Bestrafung des Schuldigen, war nicht
mehr theologisch fundiert, sondern Staats- und sozialphilosophisch: Der Gewährung
von öffentlicher und privater Sicherheit sowie der Bestrafung des Verbrechens durch
den Staat stand die geringst mögliche Einschränkung der Freiheit des Einzelnen
gegenüber. Anders gesagt: Es sollte einerseits keine Bedrückung durch die Amtsgewalt
geben, andererseits ein Schutz vor der Zügellosigkeit der Mitbürger gewährt werden,
so dass letztlich ein Gleichgewicht von gesellschaftlicher Sicherheit und individueller
Freiheit entsteht. Der Zweck der Strafe wurde mit der Aufklärung zudem rational
und nicht mehr theologisch begründet: Die Strafe und eine schnelle Aburteilung sollten
der Abschreckung und Prävention dienen.

Auf der Grundlage dieses neuen, rationalen Denken wurde der Inquisitionsprozess
einer strengen Kritik unterworfen, und es erwuchs daraus im 19. Jahrhundert der
Strafprozess als ein Prozess der bürgerlichen Gesellschaft mit den neuen Prinzipien
Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens sowie der Trennung der
Untersuchungsbehörden (Inquisitionsbehörden) in Form von Staatsanwaltschaft und
Richteramt. Eine Verurteilung ist seitdem nicht mehr ausschließlich aufgrund eines
Geständnisses oder der Uberführung des Verbrechers durch Zeugen möglich, sondern
ebenfalls auf der Grundlage von Indizien, die der freien richterlichen Beweiswürdigung
unterliegen. Die konstitutionelle Bewegung förderte dabei entschieden die
Entwicklung des Strafprozesses. Die neuen Ideen wurden im deutschen Recht -
abgesehen vom Rheinland, das während der napoleonischen Kriege von Frankreich
besetzt war - erstmals in Baden (1845) und Preußen (1846) verwirklicht, wobei dafür
nicht unbedingt bürgerliche oder gar demokratische Motive den Ausschlag gaben.

Die klar gegliederte, verständlich und stilistisch gut geschriebene Arbeit, bei der
allenfalls einige Redundanzen zu bemängeln sind, ist nicht nur für Rechtshistoriker
von größtem Interesse. Sie bietet eine Basis für weitere Forschungen und regt vielfach
zu neuen Fragestellungen an. Ignor führt seine Untersuchung anhand der rechtstheoretischen
, wissenschaftlichen Literatur durch und kommt dabei zu seiner grundlegenden
Darstellung. Mehr kann und darf man nicht verlangen. Doch die Theorie
verlangt nahezu zwingend eine Uberprüfung in der Praxis, in der Rechtswirklichkeit:
Wie stand es etwa mit dem Prozesswesen in kleineren Territorien mit nur wenigem -

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