Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
41(126).2005
Seite: 203
(PDF, 38 MB)
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Neues Schrifttum

von der Spiritualität der Jesuiten schlechterdings überwältigt, er fühlte sich, nachdem
er sich ihren Exerzitien unterzogen hatte, gleichsam geistlich geadelt. „Seit er die
Übungen durchlaufen hatte, fühlte er sich nicht mehr nur als Fürst und Förderer der
Frommen, sondern selbst als Experte in Frömmigkeit" (246). Den Abt trieb, bestärkt
durch die Jesuiten (sowie deren Anhänger) und andere „Verlierer" der Reformation,
eine Mission, ein Sendungsbewußtsein. Es bewog ihn nicht nur zu einer kompromisslosen
Haltung gegenüber dissentierenden bzw. vortridentischen Glaubensformen,
was in den Konflikt über das lokale Kirchenwesen mit dem lutherischen wie katholischen
Adel mündete, sondern auch gegenüber seinen Domherren, deren adeligen
Lebensstil der Abt nicht länger zu dulden bereit war. Traditionelle Führungsgruppen,
die Domherren und der Adel, bildeten mithin die Speerspitze des Widerstandes gegen
eine Konfessionspolitik neuen Stils, sie erzwangen, unterstützt von dem um die Ausweitung
seiner Machtsphäre bemühten Würzburger Fürstbischof Julius Echter von
Mespelbrunn, in der Hammelburger Handlung vom Juni 1576 die bereits erwähnte
Wende zu ihren Gunsten. Allerdings waren sie nicht in der Lage, über ihr temporäres
Ziel der Entmachtung des Abtes hinaus die politischen Weichen dauerhaft zu ihren
Gunsten zu stellen - ganz im Gegensatz zu ihrem scheinbar entmachteten Widersacher
, der mit dem stetig an Bedeutung gewinnenden Fuldaer Jesuitenkolleg einen
Bündnispartner in dem - zunächst unter Würzburger, dann unter kaiserlicher Verwaltung
stehenden - Stiftsgebiet besaß und zugleich dank des Netzwerkes der Jesuiten
Fürsprecher unter den katholischen Reichsständen aktivieren konnte. 1590
schließlich wurden die Ereignisse von 1576 im Prozess vor dem Reichskammergericht
mit Hunderten von Zeugen neu aufgerollt. Die Niederschrift ihrer Aussagen füllt drei
heute im Staatsarchiv Marburg verwahrte Folianten und bietet das Quellenmaterial,
das dem Vf. eine multiple Interpretation erlaubt, die zu den Höhepunkten der Arbeit
zählt - als (rekonstruierende) Sicht des Historikers, als jeweils offizielle Sicht der
Konfliktparteien und als Sicht der einzelnen Zeugen, die 1590 ihre je eigene Darstellung
eines vierzehn Jahre zurückliegenden Ereignisses gaben. „In der ersten Schilderung
findet der Leser eine in sich geschlossene, geformte Geschichte. In der zweiten
sieht er zu, wie der gleiche Vorgang von versierten Juristen einmal als Frevel, einmal
als korrekter Rechtsakt und einmal als Heldentat dargestellt wird. Beim dritten Male
zersplittert das Geschehen vollends in viele einzelne, disparate, einander oft grell
widersprechende Einzel-Geschichte" (27).

Weil der Vf. so verfährt, damit auch „ein Bild flirrender Uberdeutlichkeit, aber ohne
klare Konturen" (27) zu akzeptieren bereit ist, kann am Beispiel der Hammelburger
Handlung das zentrale Anliegen der Arbeit veranschaulicht werden. Ihr geht es darum,
jenseits zeitgenössischer wie gegenwärtiger Diskurse „jene Ubergänge, Zwischenstufen
, Wechselwirkungen, Indifferenzen und kleinen Unterschiede" herauszuarbeiten,
„die für den Ausgang des Konflikts mitunter wichtiger gewesen sein mögen als jene
großen Antagonismen, die Historiker gerne konstruieren, um ein undurchsichtiges
Geschehen klar zu gliedern" (20). Dies ist ihr auf meisterhafte Weise gelungen. Als einzige
der besprochenen Arbeiten führt sie auch methodisch über jenen Stand der Forschung
hinaus, für den eingangs stellvertretend Volker Press zitiert wurde.

Rottenburg a.N.

Norbert Haag
203


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