Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
42(127).2006
Seite: 39
(PDF, 55 MB)
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Gründungslegenden, Fälschungen und kritische Geschichtsschreibungen

es einen Unterschied zwischen mündlicher Tradition, Traditionsbildung und historischen
Fakten gibt10. Es ist kaum vorstellbar, dass der Konvent über Jahrhunderte hinweg
keine schriftliche Uberlieferung und damit keine Kenntnis von einem Altbeuron
hatte, dass dann aber plötzlich eine mündliche und aus verlorenen Quellen schöpfende
Uberlieferung über Altbeuron schriftlich festgehalten wird, die in großer Zahl
genaue Namen und Jahresdaten aufweist. Dieses Problem erkennt Stierle auch, aber
er löst es recht simpel. „Die Ausführungen Pirzschelins waren den Geschichtsforschern
bis um die Mitte des 18. Jahrhunderts unbekannt. Das Stiftungsurbar und die
beiden Beuroner Anniversare I und II lagen ja im Pfarrarchiv Egesheim. Auf sie wurde
man erst um 1750 aufmerksam"11. Nicht zuletzt diese Aussagen zeigen, dass sich
Stierle weder über das liturgische Leben in dem kleinen Stift Beuron noch über dessen
Wirtschaftsverwaltung informiert hat. Anniversare oder Nekrologe gehörten zu
den wichtigen liturgischen Büchern einer geistlichen Gemeinschaft. Sie wurden ständig
in der Stiftskirche in Beuron benötigt, da in diesen kalendarisch aufgebauten
Büchern die regelmäßig wiederkehrenden Gebetsverpflichtungen für die verstorbenen
Konventsmitglieder und weltlichen Wohltäter eingetragen waren. Die Verpflichtung
zum Gebetsgedenken lag beim Konvent in Beuron und nicht bei einem Pfarrer
in einer Patronatspfarrei. Die Anniversare befanden sich daher alle in Beuron und
nicht im Archiv der Pfarrei Egesheim. Hier überträgt Stierle den Zustand nach der
Säkulariasation auf die frühere Zeit.

Ein Pfarrer in Egesheim, Pirzschelin, ist der „erste Gewährsmann"12, der die
Geschichte Altbeurons in dem Urbarnachtrag darlegt. Eine zentrale Frage, warum
sich der Weltpriester Pirzschelin 1551 so eingehend mit dem karolingischen Beuron
befasst, umgeht er elegant, indem er Bartholomäus zu einem Beuroner Chorherren
macht. In allen authentischen zeitgenössischen Quellen wird dieser als Weltgeistlicher
bezeichnet, was Stierle selbst in einer früheren Arbeit quellenmäßig belegt. Nur in
dem Text von 1551 wird er als Beuroner Kanoniker angesprochen und dies ist für
Stierle Grund genug, ihn unter die Augustinerchorherren aufzunehmen. Für ihn ist
die angeblich eigenhändige Unterschrift Pirzschelins, die auch seine Verfasserschaft
bezeugen soll, authentisch, da er die Schrift des Eintrags als zeitgenössisch betrachtet
. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Einträge auf fol. 46v bis 48r sind in einer lateinischen
Minuskel geschrieben, die sich sonst in dem Urbar nicht wiederfindet, die
aber auch für die Mitte des 16. Jahrhunderts sehr ungewöhnlich ist, da in dieser Zeit
die von den Humanisten ausgebildete Kursive oder Minuskel vorherrscht. Die Hand
versucht in den ersten Zeilen eine Humanistenschrift nachzuahmen, fällt dann aber
in den gewohnten Duktus zurück. Die Hand ahmt eine Schrift nach, die sie nicht
beherrscht. Es ist also eine Handschrift, die etwas vorgibt, was sie nicht ist und das
gleiche kann für den Inhalt gesagt werden. Hier zeigt sich die große Schwäche Stier-
les, dass er einen paläographischen Befund nicht überprüfen kann und auch nicht
will. „Die Ergebnisse solch einseitiger Untersuchungen sind zur Genüge bekannt.
Dies zeigen die sehr oft unterschiedlichen Ergebnisse solcher Untersuchungen ein

10 Vgl. die Argumentation ebenda S. 19.

11 Ebenda S. 7.

12 Ebenda S. 2.

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