Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
42(127).2006
Seite: 225
(PDF, 55 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2006/0237
Das Ende des Zweiten Weltkriegs und die frühere Besatzungszeit in Hechingen

ziehen sich die Versuche hin, die Volksempfänger wiederzufinden. Mancher Radiobesitzer
wollte die Stadt verantwortlich machen, dass sein Gerät verschwunden war,
und verlangte Entschädigung.

Requiriert wurde in den ersten Wochen viel. Fahrräder benötigte die Besatzungsmacht
eines Tages, und die Stadt musste ein Kontingent liefern. Hechinger, die glaubten
, ihr Fahrrad unbedingt behalten zu müssen, stellten Befreiungsanträge im Rathaus
. Es gab Kleidersammlungen, im Juni waren Radiogeräte für das Elsaß abzuliefern
. Die gerade frei gegebenen Apparate standen erst seit wenigen Tagen wieder in
den Wohnzimmern.

Einrichtungsgegenstände und Büromobiliar holten sich die Besatzungstruppen
ohne Rathaushilfe direkt in den Häusern. Wilde Requisitionen waren verboten, aber
verbreitet. Anfangs sei man machtlos gewesen, ist berichtet worden, später habe man
die Militärpolizei rufen müssen. Kam ein Soldat mit einem bon de saisie, der Unterschrift
und Stempel des Militärgouverneurs hatte, gab es kein Mittel mehr. Manchmal
waren es schnell vollgekritzelte Notizzettel, später gab es auch Formulare. Der bon
de saisie sollte den Besitzern der beschlagnahmten Gegenstände dazu dienen, ihre
Ansprüche nach der Freigabe nachweisen zu können.

Das Netz öffentlicher Einrichtungen brach um den 22. April 1945 in sich zusammen
. Post und Bahn stellten - wie beschrieben - ihre Arbeit ein. Auch die Versorgung
mit Elektrizität setzte aus, und das städtische Gaswerk arbeitete nicht mehr. Erst am
28. April gab es wieder Strom, noch einige Tage später kam auch Gas71.

Die Einzelhandelsstrukturen lösten sich ganz auf. Lediglich Bäckereien und einige
Lebensmittelgeschäfte hatten in abwechselnder Reihenfolge stundenweise geöffnet.
Anschlagtafeln auf dem Marktplatz, vor dem Landratsamt, am Sitz der Militärregierung
in der Hofgartenstraße und anderswo waren bei jedem neuen Aushang umlagert72
. Dort stand, wann es wo was geben würde. Verkauft wurde weiter auf Lebensmittelkarten
wie im Krieg.

Dann hat man Schlange stehen müssen. Bis zu Rahms Haustüre sind die Leute
gestanden, aber es ging alles ganz gut, staunte Frida Zinser, als sie ihr Geschäft zum
erstenmal wieder öffnete73. Die Kunden standen von der mittleren Staig bis hinunter
in die Obere Mühlgasse. Das war am 11. Mai. Auf den Kopf gab es 60 Gramm Käse
und 125 Gramm Quark. Mehr nicht. In anderen Geschäften war es ähnlich. Fleisch,
schrieb Frida Zinser, gab es zum ersten Mal am 2. Mai.

Zufälle spielten eine große Rolle. Bei Zinsers halfen Franzosen. Zwei Soldaten
organisierten einen Lastwagen und begleiteten Josef Zinser in die Molkerei nach Rottenburg
. Anderntags wurde erst einmal der Bedarf der Auftraggeber gedeckt, dann
kamen die Hechinger an die Reihe. So ging es weiter: Um Butter anzubieten, musste
Zinser nach Sigmaringen fahren.

71 Frida Zinser: Tagebuch (wie Anm. 21) 28.04.1945, S. 24. Wilhelm Holzhäuser: Tagebuch
(wie Anm. 29) 03.05.1945, S. 130.

72 Stadt AH. A200 Reg.-Nr. 9731, Requisitionen Radioabgabe Sonstige. 2. Besatzungsangelegenheiten
Einzelne Requisitionen 1945-46. Walter Sauter: Vor 20 Jahren (wie Anm. 43).

73 Frida Zinser: Tagebuch (wie Anm. 21) 11.05.1945, S. 50.

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