Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
42(127).2006
Seite: 256
(PDF, 55 MB)
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  (z. B.: IV, 145, xii)



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Neues Schrifttum

wurden. Auf dem hoch gelegenen, klimatisch ungünstigen Albuch im Grenzgebiet
der heutigen Landkreise Göppingen, Aalen und Heidenheim a.d. Brenz wirkte diese
Entwicklung besonders verheerend. Die Freiherren von Rechberg als Pfandinhaber
und bedeutendster Grundherr am Ort liefen deshalb Gefahr, die grundherrliche
„familia" ganz zu verlieren. Um dem entgegenzuwirken, gründeten sie Böhmenkirch
„auf dem Boden einer abgegangenen oder vom Abgang bedrohten Siedlung durch
Verleihung von Stadt- und Marktrecht neu", was zwischen 1333 und 1476 erfolgt sein
muss (S. 35, 44, 272, 274). Laut Urbar von 1476 hatte der rechbergische Schultheiß (=
Ammann) umfassende Kompetenzen bei der Vergabe von Gütern und beim Steuereinzug
. Er stand dem Gericht vor, das mit zwölf Urteilern aus der Gemeinde besetzt
war, die wiederum an der Verwaltung beteiligt waren und denen ein beträchtlicher
Anteil an Gerichtsgebühren zustand. Trotz des umfassenden herrschaftlichen
Anspruchs auf „Zwing und Bann" hatte die Gemeinde eine starke Stellung. Das
heißt, die alte Villikationsverfassung wurde zugunsten eines Konsenses zwischen
Herrschaft und Gemeinde aufgegeben, um die wüsten Fluren wieder zu besiedeln (S.
50f.). Dazu wurde der Boden des alten Amthofes wie auch des Heiligenvermögens
verteilt. Auf der sehr ausgedehnten Gemarkung wurden die Ländereien abgegangener
Siedlungsplätze extensiv bzw. ähnlich wie Almen bewirtschaftet (S. 36, 47). Durch so
attraktive Verhältnisse sollten die Abwanderung der Restbevölkerung verhindert und
vielleicht sogar neue Siedler gewonnen werden.

Das „lange 16. Jahrhundert" war anschließend durch eine stetig wachsende Bevölkerung
in verdichteter Siedlungsweise, die zunehmende Nutzung der Randlagen für
den Getreidebau und durch bäuerliche Landspekulation gekennzeichnet. Die sozialen
Unterschiede waren enorm; 10,5 Prozent der „Oberschicht" standen fast 70 Prozent
gegenüber, die nach Finks Einteilung der „oberen Unterschicht" und „unteren
Mittelschicht" angehörten (S. 90). Die Verhandlungsposition der Herrschaft bei der
Güterverleihung verbesserte sich; die Option mit Hilfe eingezogener Güter und der
Fronpflichtigen einen Eigenbetrieb aufzubauen, gewann Kontur. Bis zur Huldigung
von 1548, die die Böhmenkircher ihrer hohen und niederen Obrigkeit unterwarf,
unterstellten die Herren von Rechberg den Ort ihrem Amt Weißenstein und vereinheitlichten
den Einzug des Ungeldes auf Wein und die Leibherrschaft, d.h. sie behielten
sich das Recht auf Bürgerannahme vor. Dem Gericht Böhmenkirch verblieb letztlich
nur die Ruggerichtsbarkeit, von stadttypischen Rechten ist nicht mehr die Rede
(S. 110, 115).

Damit waren die für bäuerliche Revolten jener Zeit typischen Konfliktpunkte
gegeben. Den Anlass für die Revolte bot erstens die Aufzucht von Jagdhunden, da die
Seidner diese als alleinige Pflicht der Vollbauern ansahen. Als dann noch Haug von
Rechberg den durch bäuerliche Fahrlässigkeit 1579 abgebrannten Pfarrhof samt Stadel
in Fronarbeit wieder aufbauen, mitten in der Heuernte zur Jagdfron blasen ließ
und in einer Flurschadensache das bäuerliche Ruggericht ignorierte, (S. 79, 87, 127,
136-139), reagierten die Böhmenkircher - ähnlich wie 1584 die Owinger in Hohen-
zollern-Hechingen - am 16.9.1580 mit einem bewaffneten Austritt ins benachbarte
württembergische Söhnstetten. Wohlwollend unterstützt durch Erzherzog Ferdinand
von Tirol, erreichten sie rasch beim Reichshofrat in Prag ein kaiserliches Mandat zur
Abstellung der Beschwerden.

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