Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
43(128).2007
Seite: 184
(PDF, 57 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2007/0196
Karl Werner Steim

1. „Herr Provisor, haben Sie Schulden?"
Ich antwortete mit: „Nein".

2. „Haben sie Geld?"
Ich holte meine Barschaft.

3. Darauf sagte der Herr Pfarrer: „Herr Provisor, jetzt gehen Sie zu dieser unverschämten
Frau und bezahlen Ihr Kostgeld. Von Morgen an sind Sie mein Gast." Zwei
und ein halbes Jahr war ich Kostgänger im Pfarrhause zu Trillfingen. Kamen Blu-
menstetters Freunde von Hechingen auf Besuch, der Herr Provisor durfte seinen
gewohnten Platz an der festlichen Tafel einnehmen. Für mich war das ein großes
Ereignis, bei dem ich viel, viel lernen konnte betreffs Anstand und Sitte.

[10 a] Pfarrer Blumenstetter machte mit dem jungen Provisor täglich einen ausgedehnten
Spaziergang. Dabei lernte ich unendlich viel. In meinem Schädel waren eine
Anzahl unverdauter Wissens-Brocken vorhanden. Sie lagen unklar und wirr durcheinander
. Mein religiöses Wissen war vernebelt und vom Zweifel angekränkelt. Blumenstetter
schaffte Ordnung in diesem Wirrwarr. Er setzte die vorhandenen Bausteine
meines Geistes so kunstgerecht auf einander, daß ich zeitlebens nie mehr in die
Irre gehen konnte.

Blumenstetter galt bei seinen Zeitgenossen als ein überaus gelehrter Mann. Er saß
in der Paulskirche zu Frankfurt a. Main im Jahre 1848 neben meinem Onkel, Pfarrer
Joseph Sprißler.

Nur einmal in meinem Leben traf ich mit meinem Onkel zusammen in der
Linde35 zu Hechingen, allwo ich ihm gegenüber gesetzt wurde. Sprißler, als Altester,
führte den Vorsitz. Unter den Gästen war auch der Landgerichts-Präsident Evelt36,
der meinen Onkel und Blumenstetter dauernd mit „Du" anredete. Mir war es etwas
beklemmend zu Mute, in Mitten hochgestellter, feingebildeter Leute zu sitzen, aber
ich hörte viel und sah vieles, was mir zeitlebens von Nutzen war.

[10 b]37 Der Pfarrherr zu Trillfingen wurde mit den Jahren mir der bedeutenste
Mensch, der mir im Leben begegnete. Er behandelte mich mit ausgesuchtester
Freundlichkeit. Wäre ich sein leiblicher Sohn gewesen, aufmerksamer hätte er überhaupt
nicht sein können.

Pfarrer Joseph Blumenstetter war der Busenfreund meines Onkels, des Pfarrers
Joseph Sprißler. Durch diese meine Verwandtschaft hatte ich somit von Anfang an
einen Stein im Brett bei Blumenstetter, meinem überaus gütigen Pfarrherrn. Daher also
kam die auffällige Liebenswürdigkeit Blumenstetters gegen seinen neuen Provisor.

Als die Hirschwirtin von Trillfingen mir den Kosttisch aufkündigte, nahm Blumenstetter
mich zu sich als Kostgänger in den Pfarrhof. Eine Ehre, wie sie keinem
zweiten Junglehrer Hohenzollerns je zu Teil geworden war. Blumenstetter ging jeden
Sommer ins Bad. In seinen Briefen an mich nannte er mich immer seinen lieben
Freund.

35 An der Stelle des heutigen Gebäudes der Hohenzollerischen Zeitung am Obertorplatz.

36 August Alexander Evelt, * Dorsten/Westfalen 21.1.1828, f Hechingen 11.12.1904. 1879-1900
erster Landgerichtspräsident in Hechingen. Personalakten: StAS Ho 395 T 1 Nr. 33-36.

37 Der Text der von Fink später ins Manuskript eingefügten Seite 10 b ist im Wesentlichen
schon auf den Seiten 8 und 9 enthalten.

184


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2007/0196