Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
43(128).2007
Seite: 188
(PDF, 57 MB)
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Karl Werner Steim

mußte ich aus meiner Tasche bezahlen. Drauf machte ich mich auf den Weg, um meine
Kompagnie einzuholen. Sie war aber weit und breit nicht mehr zu sehen. Ich lief über
unseren Exerzierplatz, sah aber niemanden. Zufällig begegnete mir ein fremder Soldat
. Den redete ich an und frug nach dem Schießstande. Er wies mich an, ich soll der
Nähe nach am Wallgraben hinunter gehen. Der Fremdling war ein Landsmann und
hieß Senz45. Er war gebürtig aus Owingen. Ich folgte und lief auf einer schmalen
Mauer den Wallgraben hinunter. In der Mitte der Mauer sah ich eine eiserne Säule
empor-ragen. [18] Fink, jetzt heißt es aufgepaßt, sagte ich zu mir selber, nahm meinen
Schieß-Prügel von der rechten auf die linke Schulter. Ich hatte Sorge, der Gewehrlauf
könnte an der eisernen Säule anprallen. Eile hatte ich sehr. Kaum hatte ich die
Befürchtung ausgedacht, da schlug auch schon mein Gewehrlauf an der Säule an und
mein Gewehr purzelte in den tiefen Graben hinab. Aufrecht sah ich es im Boden
stecken. Donner und Doria! Fink, wie wird es dir ergehen!? Zuerst lugte ich nach
einem Eingang in den Wallgraben, von dem aus ich zu meiner Donnerbüchse gelangen
konnte. Der Umweg war nicht unbedeutend. Wie ich zu meinem Gewehr kam,
zog ich es heraus. Du lieber Himmel, wie sah das aus! Beim Hinunterhageln an der
Festungs-Mauer wurde das Visier weggeschlagen. Der Gewehrlauf hatte eine Anzahl
Beulen zu beiden Seiten. Mein Stimmungs-Barometer hatte seinen Tiefstand erreicht.
Mein Talismann - die 6 Cigarren in meiner Rocktasche - er war meine einzige Hoffnung
und zugleich meine Rettung. Unterhalb der Festungsmauer zog sich unser
Schießstand hin. Meine Kameraden waren eifrig am Schießen. Herr Paris sah mich
zuerst. Er wurde leichenblaß. Der Herr Leutnant war zum Unglück zum Schießen
gekommen. Sergeant Paris wußte sich kaum zu helfen. [19] Ich gab mir Mühe, mich
heimlich an die Mannschaft heran zu schleichen. Herrn Paris flüsterte ich mein
Unglück ins Ohr. Ein Hintermann mußte mir sein Gewehr leihen und ich mußte zum
Schießen vortreten. In meiner Aufregung schoß ich natürlich große Löcher in die
Luft. Dazwischen hinein konnten sie mir einen einzigen Zwölfer buchen. Dazu dachte
ich mir: Es ist nicht unmöglich, daß sogar eine blinde Sau auch einmal eine Eichel
findet. Der Herr Leutnant machte sich bald aus dem Staube. Bei der ersten Gelegenheit
praktizierte ich die Cigarren dem Herrn Sergeanten hinten herum in die Hände.

Die Schießstunde ging zu Ende. Beim Einrücken nahm Herr Paris mein Gewehr
an sich. Er machte mir keine Vorhalte, wohlwissend, daß die Hauptschuld an ihm lag.
Nach der Meinung meines Vetters Wendelin wanderte mein Gewehr in die Büchsen-
macherei. Wäre die Schuld an mir hängen geblieben, so hätte (nach der Meinung meines
Vetters) die Rechnung der Büchsenmacherei für eine schwer beschädigte Büchse
allermindestens 80 Mark betragen.

[20] Höllenqualen am glühenden Ofen

Unsere Dienstzeit neigte sich dem Ende zu. Acht Tage vor unserem Abgange sagte
ich in der Pause zu Paris: „Herr Sergeant, ich habe mein Geldbeutelchen revidiert
und gefunden, daß mir der Rest kaum noch zur Heimreise reicht. Ihr Vesper um 10
Uhr kann ich nicht mehr auf meine Kasse nehmen." Paris sagte darauf kein Wort.

45 Richtig: Sinz.
188


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