Freiburger historische Bestände - digital

Karl Werner Steim

wir denselben Im Interesse des Friedens unserer Stadt, bei seiner Amtsehre dringend
auf, die dort erwähnte Ruchlosigkeit und den der Ruchlosigkeit Beschuldigten mit
Namen zu nennen, damit der oder die Verdächtigen die Hilfe des Gerichtes, event. der
Staatsanwaltschaft anrufen können. Haigerloch, 5. November 1881. Dekan Schnell.
Stadt-Bürger-Meister Stehle."

[93] In geschickter Weise antwortete Tensi dem Herrn Dekan Schnell am gleichen
Tage mit einem Extra-Blatt: „Extra-Blatt. Mit Bezug auf die im heutigen Extra-Blatt
öffentlich an mich erlassene Aufforderung, muß ich naturgemäß auch auf demselben
Wege öffentlich antworten:

1. Ich habe in meinem letzten Inserate erklärt, daß ich gegen Haigerloch und seine
Einwohner in corpore nichts habe, also mit Allen im Frieden lebe.

2. Ich bitte mir Denjenigen gütigst bezeichnen zu wollen, dessen Frieden gestört
wurde.

3. Wenn ich mich über anonyme Briefe und sonstige anonyme Angriffe öffentlich
beklage, so bin ich dazu berechtigt.

4. Wenn ich sage, gewisse Beleidigungen seien in einem gewissen Stadtviertel vorgekommen
, so ist dies nicht im mindesten eine Beleidigung für den Stadttheil, das
beweist folgendes Beispiel: Wenn ein Reisender in einem Dorfe hinterrücks mit Koth
beworfen wird und erzählt nun überall, in jenem Dorfe sei er ruchsloser Weise mit
Koth beworfen worden, so ist das kein Angriff auf das Dorf, sondern auf den Beleidiger
. Das Dorf bleibt so brav und so friedlich, wie es vorher war.

Mein öffentliches Auftreten sollte die Schuld treffen. Unschuldige werden nicht
getroffen und fühlen sich nicht getroffen.

Habe ich vielleicht meiner Entrüstung einen zu oftmaligen Ausdruck gegeben, so
erkläre ich gerne, daß ich die Sache, weil anonym, nicht mehr der Oeffentlichkeit
Preis geben will.

Ich war immer so gerne in Haigerloch, daß ich, als im Jahre 1873 siebenzehn Pfarreien
zur Bewerbung ausgeschrieben wurden, um keine einzige angehalten habe. Diese
für Haigerloch anerkennende Gesinnung habe ich noch heute. Indem ich diese sachgemäße
Erwiederung sine ira et studio (ohne jegliche Gereiztheit)136 den Einwohnern
von Haigerloch, sowie namentlich den competenten Behörden hochachtungsvollst
unterbreite, zeichne ich Hofkaplan Tensi. Haigerloch, 5. November 1881."

[94] Diese beiden Extra-Blätter an einem Tage machten Aufsehen, nicht allein in
Haigerloch, sondern in der weiten Umgebung. Auch Freiburg zeigte sich stark interessiert
. Das Ordinariat machte dem unerfreulichen Gezänke dadurch ein rasches
Ende, daß es den Hofkaplan vom Unterland ins Oberland versetzte. Tensi starb als
Pfarrer von Mindersdorf.

Wenn auch Dekan Schnell makellos dastund - seine Schwestern (besonders die
jüngere Lena - ) stunden diesbezüglich nicht einwandfrei da. Ihr Bruder Dekan, der
imponierende Hofmann, wäre solcher Gemeinheiten nicht fähig gewesen.

Hofkaplan Tensi war ein „gelehrtes Haus". Bei einem Besuche erzählte er mir, er
sei beauftragt, ein großes Lexikon vom Deutschen ins Französische zu übersetzen.

136 Lateinisch: „Ohne Zorn und Eifer", unparteiisch. Nach Tacitus, „Annalen" I, 1.
222