Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
43(128).2007
Seite: 270
(PDF, 57 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2007/0282
Franz-Josef Ziwes

War es Kalbfell unangenehm, dass seine Wiedergutmachungsangelegenheit aktenkundig
wurde? Eine solche Vermutung drängt sich auf, wenn man die Umstände
betrachtet, die im Wiedergutmachungsverfahren eines weiteren prominenten SPD-
Mitglieds amtsintern für einigen Wirbel sorgten. Fritz Erler, in den sechziger Jahren
Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Oppositionsführer, begann seine politische
Karriere in der Nachkriegszeit zunächst als Landrat in Biberach, später in Tuttlingen
. Von dort aus wurde er 1949 in den ersten Deutschen Bundestag gewählt.
Während der Nazi-Diktatur war Erler als Mitglied der sozialistischen Geheimorganisation
„Neu Beginnen" im November 1938 verhaftet und wegen Vorbereitung zum
Hochverrat zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Bis heute hält sich in der
biographischen Literatur zur Fritz Erler der Mythos, dass er niemals Entschädigung
für die sieben Jahre im KZ verlangt habe24. Tatsächlich aber hat ihm das Landesamt
mit Bescheid vom 21. Mai 1951 Haftentschädigung von 11550 DM sowie eine Entschädigung
für Verdienstausfall in Höhe von 6000 DM zuerkannt. Einen Teil des
Geldes verwandte Erler später zur Finanzierung eines Eigenheims in Pforzheim, seinem
späteren Wahlkreis. Die gesetzlich vorgeschriebene öffentliche Auslegung des
Bescheids erfolgte allerdings nicht im zuständigen Landratsamt Tuttlingen, sondern
im Landratsamt Rottweil. Dies rief prompt einige Kritiker des Landesamts auf den
Plan, die den Wiedergutmachungsbehörden das Messen mit zweierlei Maß vorwarfen
. Aus Sicht eines Mitarbeiters stellte sich der Sachverhalt allerdings so dar, dass das
Auflegungsersuchen zwar an das zuständige Landratsamt Tuttlingen gegangen war,
dem damaligen Chef, nämlich Erler selbst, die Auflegung des Bescheids und der Aushang
an der Aushangtafel sowohl in Bezug auf die ihm unterstellten Mitarbeiter als
auch auf die Tuttlinger Bevölkerung ausserordentlich peinlich sein musste. Dies gelte
nicht nur für die Höhen der zuerkannten Ansprüche, sondern auch für die Ausführungen
in den Gründen. Hiernach war Erler NSV-Zellenwalter und Parteianwärter
; später schlug er sich zu einer geheimen kommunistischen Organisation (beide
Richtungen sind im heutgen Staatsleben nicht gut angeschrieben). [...] Nach den
Vermutungen des Unterzeichneten hat er sich kollegialiter mit dem benachbarten
Landratsamt in Rottweil in Verbindung gesetzt und mit diesem vereinbart, dass der
Bescheid dort aufgelegt werde. Das Landratsamt Rottweil hat ihm diesen Gefallen
getan25.

24 Hartmut Soell: Fritz Erler. Eine politische Biographie. Band. I (Internationale Bibliothek;
100). Berlin, Bonn 1976. S. 104: „Obwohl Erler zu denen gehörte, die durch nationalsozialistisches
Unrecht unmittelbar geschädigt worden waren, hat er selbst Wiedergutmachungsleistungen
für seine KZ- und Zuchthaushaft nie in Anspruch genommen"; vgl. Horst Ferdinand in
Baden-Württembergische Biographien. Band II. Hg. von Bernd Ottnad. Stuttgart 1999.
S. 110-116, hier S. 115: „In das Persönlichkeitsbild Erlers paßt gut hinein, daß er niemals eine
Entschädigung für die sieben Jahre im KZ verlangte".

25 StA Sigmaringen Wü 33 T 1 Nr. 3871.

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