Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
43(128).2007
Seite: 281
(PDF, 57 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2007/0293
Neues Schrifttum

gen minderwertigen Öls waren der Ertrag. Schon in der ersten Phase des Projekts
wurden Ende 1943/Anfang 1944 KZ-Häftlinge eingesetzt, den einzigen Arbeitskräften
, die noch in großer Zahl zur Verfügung standen. Die Häftlinge wurden in Lagern
untergebracht, die organisatorisch dem KZ Natzweiler-Struthof im Elsaß angegliedert
waren. Ab August 1944 wurden neue Außenlager für das Wüsteprojekt eingerichtet
, darunter das Lager in Bisingen. Unter den mörderischen Lebens- und
Arbeitsbedingungen ließen allein in Bisingen vermutlich über 1700 Häftlinge innerhalb
von nur acht Monaten ihr Leben; genaue Gesamtzahlen sind aus verschiedenen
Gründen nicht mehr zu ermitteln.

Christine Glauning untersucht und diskutiert unterschiedliche Problemkomplexe
und Forschungsfragen, von denen im folgenden nur einige thematisiert werden können
. Die Autorin kann den in der Forschung festgestellten fundamentalen Wandel im
KZ-System hinsichtlich der „Wüstelager" in der letzten Kriegsphase bestätigen bzw.
präzisieren. „Der Dezentralisierung der Rüstungsproduktion folgte die Dezentralisierung
des KZ-Systems." (S. 402) Statt einer begrenzten Zahl großer KZ gab es nun
eine wachsende Anzahl neuer Außenlager, die überfüllt waren mit Häftlingen, die aus
den Lagern im Osten evakuiert wurden und in denen die Opferzahlen enorm stiegen.
Diese „Entgrenzung" des KZ-Systems begann 1942 und erreichte im Sommer 1944
ihren Höhepunkt.

Glauning versteht den Begriff „Entgrenzung" nicht nur quantitativ, hinsichtlich
der Anzahl der Außenlager und der darin inhaftierten Häftlingen, sondern auch qualitativ
, hinsichtlich des eskalierenden Terrors gegenüber den Häftlingen. Deutlich
arbeitet die Autorin eine Folge der Entgrenzung des KZ-Systems heraus: Durch die
wachsende Zahl der Außenlager wurde die Zivilbevölkerung verstärkt mit den KZ
und den Häftlingen konfrontiert. Schon ältere Studien zum Unternehmen „Wüste"
wiesen darauf hin, dass die Häftlingskolonnen und die örtlichen KZ der heimischen
Bevölkerung nicht verborgen blieben (z.B. Rudi Holoch zu Schörzingen oder Wolfgang
Sörös zu Bisingen). Glauning arbeitet diesen Aspekt verstärkt heraus und konstatiert
einen Wandel im KZ-System, weg von den großen Lagern, deren Existenz die
Nazis eher verheimlichten und versteckten, hin zu den Außenlagern, die der Bevölkerung
vor Ort präsent waren und wo die SS sich keine Mühe mehr gab, den Terror
gegenüber den Häftlingen zu verheimlichen. Die örtliche Einwohnerschaft wusste
also von den KZ vor Ort; die „Grenzen zwischen KZ und zivilem Umfeld ... verschwammen
in dieser letzten Kriegsphase" sehr stark. Dies ist ein lokaler Befund, der
für Bisingen und auch für andere Orte, an denen sich Außenlager befanden, zutrifft.
Die nächste Frage, die es nun zu untersuchen gälte, lautet: Wie groß war der Radius
dieses Wissens? Wie weit drang die Kunde von den KZ ins Umland bzw. wie weit
konnte sie vordringen, in Zeiten, in denen derartige Nachrichten im Grunde nur
mündlich verbreitet werden konnten? Wo begann das Nicht-Wissen über die örtlichen
KZ?

Eine weitere Frage, die erörtert wird, ist der Widerspruch zwischen ökonomischem
Gewinnstreben und der Vernichtung von Menschenleben durch die unsäglichen
Haft- und Arbeitsbedingungen. Glauning kommt dabei zu dem Schluss, dass es
kein einheitliches Programm von oben zur „Vernichtung durch Arbeit" gab. Verantwortlich
war in erster Linie die altgediente Lager-SS, die von ihrer Ideologie und

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