Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
45(130).2009
Seite: 161
(PDF, 60 MB)
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Talmi-Kultur und Klassen-Gegensätze

8. DROGEN

Dem, der am Rande steht, bietet in allen Kulturen und zu allen Zeiten der Rausch
die bessere Welt. Das Kaiserreich macht keine Ausnahme. In Hohenzollern war Bier
beliebt. Durchschnittlich 260 Liter im Jahr trank jeder Hohenzoller 1907, rechnete die
Centralstelle vor. Der Verbrauch war seit 1900 Jahr für Jahr gestiegen und sackte danach
wieder ab auf 185 Liter im Jahr 1910. Das war aber immer noch der höchste Prokopfverbrauch
in Preußen. Die Schankstellendichte war enorm. Bereits das Adressbuch von
1898 kennt 35 Gasthäuser in Hechingen, das Adressbuch 1914 zählt 38 Gast- und
Schankwirtschaften. Die Centralstelle schrieb, in den beiden Städten Hohenzollerns -
Hechingen und Sigmaringen - komme eine Kneipe auf 113 Einwohner100.

Ausgeschenkt wurde dunkles und helles Bier, Doppelbier oder Einfachbier, das bisweilen
als Arbeiterbier durchlief. St.-Luzen-Bier war weit verbreitet, auch das Bayerischbier
aus Münchener Brauereien ging in Hechingen gut und das Schlossbräu aus Haigerloch.
Im Gasthaus Mohren, so hat es August Vezin aufgeschrieben, kosteten um 1905 das
Viertel St.-Luzen-Bräu sechs Pfennig und die halbe Maß zehn. Das dunkle Münchener
Bier war mit 18 Pfennig am teuersten101. Bierpreiserhöhungen waren mehrmals umstritten
. 1909 hoben der Brauereiverband Hohenzollern und der Bezirkswirteverein Hechingen
in einer konzertierten Aktion den Preis für das Viertel Schenkbier'auf 7 Pfennig
und den halben Liter auf 12. Mit gemeinsamen ganzseitigen Anzeigen in den Tageszeitungen
versuchten sie, den Bieraufschlag zu erklären, und die Gastwirte verabredeten ihre
Taktik in einer eigenen Versammlung. Die Preiserhöhung im Jahr darauf ließ sogar einen
Leserbriefschreiber in den Hohenzollerischen Blättern zur Feder greifen102. Die Sorgen
waren nicht grundlos. Im ganzen Reich konnten damals Protestaktionen von Kneipenbummlern
leicht zu „Bierkrawallen" ausarten.

Praktisch war die Erfindung des Flaschenbiers, das in den Gasthäusern sogar in Literflaschen
und über die Straße verkauft wurde. Gelegenheit zum Trinken gab es seitdem
überall. Bier verkaufte bald auch der Einzelhandel. Das Adressbuch von 1914 zählt
sechs Flaschenbierhandlungen in Hechingen, die alle wenige Jahre zuvor aus dem Boden
geschossen waren. Der Konsumverein nahm Flaschenbier im Juni 1912 in sein Sortiment
und zog die Ladenöffnung morgens vor auf 6.30 Uhr103. Niemand sollte auf
Schicht Durst leiden müssen.

100 Jahresbericht 1907/08 S. 73,1910/11 S. 158f. Adreßbuch 1898 (wie Anm. 22) S. 47f. Adressbuch
1914 (wie Anm. 22) S. 106. Die Prokopfdichte lag in den Dörfern Hohenzollerns mit 105 Bewohnern
pro Schankstelle sogar höher. Nach dem Jahresbericht 1905/06 S. 71 kamen in 124 Gemeinden Hohenzollerns
mit 528 Schankstätten auf jeden Zapfhahn 126 Einwohner. Heute wäre jedes Gasthaus
in Hechingen für mehr als 300 Einwohner zuständig. Das Einwohnerbuch 1999. Mittelbereich Hechingen
. Karlsruhe 1998. S. 426 zählt 62 Kneipen, Speisegaststätten und Diskos in Hechingen, was
bei rund 19.500 Einwohnern etwa 315 potenziellen Gästen entspräche.

101 August Vezin: Mein Einstand in Hechingen (wie Anm. 2) S. 81.

102 Hz. Bl. Nr. 167/28.07.1909,168/29.07.1909, 45/26.02.1910, 51/05.03.1910, 215/24.09.1910.

103 Hz. Bl. Nr. 131/13.06.1912. Adressbuch 1914 (wie Anm. 22) S. 100.

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