Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
46(131).2010
Seite: 28
(PDF, 40 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2010/0036
Edwin Ernst Weber

Neuanfang in ihrem Zufluchtsland Amerika. Siegfried und Emma Frank bleiben auf
Dauer abhängig von ihren Kindern Lisa und Kurt, die in den ersten Jahren ihren Lebensunterhalt
mühsam als Haushaltshilfe, Kindermädchen und Masseurin bzw. als Geschirrspüler
, Fabrikarbeiter und Hausierer bestreiten müssen. Erst im Laufe der Jahre
und durch harte Arbeit können sie in Louisville, Kentucky, einen bescheidenen Wohlstand
erwerben: Lisa und ihr Mann Julius Heyman, die im Dezember 1940 heiraten,
sind Inhaber eines Textilladens, in dem auch Emma Frank bis ins hohe Alter mithilft.
Kurt Frank baut einen Vertrieb für Möbel und Textilien („soft-goods") mit zuletzt etwa
zehn angestellten Vertretern auf, den er im Alter von 70 Jahren veräußert.128 Für ihre in
Deutschland gehegten und durch die NS-Verfolgung vereitelten akademischen Ambitionen
als Ärztin bzw. als Rechtsanwalt bleibt kein Raum.

Die Schilderungen des Sigmaringer Stadtchronisten Franz Keller sind fern jeder Realität
, wenn er vom Hörensagen zu berichten weiß, dass der ausgewanderte Siegfried Frank
mit Hilfe seines Sohnes in Amerika ein großes Möbelgeschäft aufgebaut habe, das seinen
früheren Besitz in Sigmaringen, Laiz und Gauselfingen an Wert weit übersteige.129
Noch bedenklicher muss Kellers antisemitisch eingefärbter Kommentar zum vermeintlichen
wirtschaftlichen Erfolg der Franks in Amerika und der angeblichen Aufsichtstätigkeit
von Kurt Franks Schwager, also von Julius Heyman, in einem Lager mit deutschen Kriegsgefangenen
erscheinen, bei der es sich tatsächlich um eine zeitweise Verwendung als Dolmetscher
in einem Kriegsgefangenenlager in Arizona130 gehandelt hat: So weiß sieb Israel
heraus zu arbeiten, nicht durch Handarbeit, sondern durch angeerbten Geschäftssinn
und Geschäftstüchtigkeit. Und wo sind die Führer von damals, bettelarm und auf Gnade
und Ungnade in Kzlagern dem Feinde überantwortet. Das sagt alles.131 Damit dürften
die Verantwortungsträger von NS-Staat, Partei und wohl auch Wehrmacht gemeint sein!

Nach anfänglichen provisorischen Unterkünften findet das junge Ehepaar Heyman
zusammen mit Siegfried und Emma Frank eine neue Heimat in einem auf Kredit erworbenen
schmucken Haus im Eastern Parkway in Louisville. Siegfried Frank kann nur
kurze Zeit die neu erlangte Freiheit in den USA genießen: Mit einem Kropfleiden belastet
, verträgt er das feuchtheiße Klima in Kentucky nur schlecht, verliert rapide an Gewicht
und bekommt Herzbeschwerden. Bei der ärztlicherseits dringend angeratenen
Kropfoperation im St. Joseph-Krankenhaus in Louisville verstirbt er am 9. März 1943
im Alter von 63 Jahren.132

128 Filminterview Lisa Heyman 1997 (wie Anm. 42). - Zeitzeugenbefragung Lisa und Patsy Heyman vom
19.11.2010 (wie Anm. 87). - Wiedergutmachungsakte Kurt Frank (wie Anm. 84).-Steim, Wirtschaften (wie
Anm. 2), S. 434.

129 Nachlass Keller (wie Anm. 23).

130 Zeitzeugenbefragung Lisa und Patsy Heyman vom 19.11.2010 (wie Anm. 87).

131 Nachlass Keller (wie Anm. 23). - Hintergrund für die vorurteilsbeladene Bewertung und Haltung Kellers
gegenüber den Franks dürfte zu einem gewissen Teil auch die persönliche bittere Erfahrung des Verlusts
der - offenbar verschuldeten - väterlichen Gast- und Landwirtschaft in Thalheim 1893 an Sigmund Frank
und die nachfolgende Weiterveräußerung an mehrere Nachfolgebesitzer gewesen sein. - Feuersocietäts-
Kataster der Gemeinde Thalheim, Gebäude Nrn. 8,10,11 und 29 (Kreisarchiv Sigmaringen XVII/2 Nr. 117).

132 Schreiben von Rechtsanwalt Ott an das Landesamt für Wiedergutmachung Tübingen vom 18.8.1954.
- Sterbeurkunde Siegfried Frank vom 9.3.1943 (beide Wiedergutmachungsverfahren Siegfried Frank, wie
Anm. 18). - Todesanzeige von Siegfried Frank im „Aufbau" vom 30.4.1943.

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