Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
46(131).2010
Seite: 34
(PDF, 40 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2010/0042
Waldemar Luckscheiter

I. JÜDISCHES LEBEN IN DEUTSCHLAND NACH 19453

Das Interesse an der Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945 ist erst in den
siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erwacht - und zwar hauptsächlich
bei der jüdischen Minorität selbst. „Jahrzehntelang hatten die 1945 neu gegründeten
jüdischen Gemeinden in der Erwartung gelebt, in Kürze auszusterben und
sich nach Abwanderung der wenigen Jugendlichen aufzulösen."4 Beim Einzug der alliierten
Truppen in Deutschland fanden diese noch etwa 15000 Juden außerhalb der
Konzentrationslager vor. Mehr als drei Viertel von ihnen überlebten den Nationalsozialismus
, weil sie mit Nichtjuden verheiratet waren und daher nicht oder erst kurz vor
Kriegsende deportiert wurden. Etwa 2000 hatten in der Illegalität gelebt und eine kleine
Gruppe von deutschen Juden wurde aus den Konzentrationslagern, vor allem aus
Theresienstadt, befreit.

Die meisten ehemaligen Lagerhäftlinge und die Juden, die im Untergrund überlebt
hatten, wollten Deutschland sofort verlassen. Ihr Ziel war - sofern sie die Kraft zu
einem Neuanfang hatten - Palästina. Aber noch war die Ausreise in das spätere Israel
illegal. Sie mussten als sog. DPs (Displaced Persons: eine Verwaltungskategorie der
Westalliierten von 1944 für Zivilpersonen, die während des 2. Weltkriegs nach Deutschland
verschleppt wurden) in den Lagern der Alliierten ausharren.

Die Juden, die in einer Ehe mit Nichtjuden lebten, wurden nach dem Ende des Krieges
oft zu Gründern der neuen jüdischen Gemeinden in Deutschland. Allerdings fielen
diese zahlenmäßig kaum ins Gewicht. Der Großteil der jüdischen Gemeinschaft setzte
sich damals aus osteuropäischen Juden zusammen, die der Massenvernichtung entronnen
waren. Zehntausende von ihnen blieben nach ihrer Befreiung direkt in Deutschland
. Andere strömten aus Polen zurück, nachdem sie in ihrer Heimat erneut Antisemitismus
und Pogromen ausgesetzt waren. Dazu kamen allein im Jahr 1946 über
100000 jüdische Zuwanderer aus der Sowjetunion. Insgesamt hielten sich zwischen
1945 und 1950 bis zu 200000 Juden unterschiedlicher Nationalität in DP-Lagern auf.
Für sie alle war Deutschland nur ein Durchgangsland. Die erstrebte Auswanderung
wurde jedoch erst möglich nach der Gründung des Staates Israel im Mai 1948 und der
Lockerung der amerikanischen Einwanderungsgesetze, so dass sie - zusammen mit der
Emigration der meisten deutschen Juden - erst im Jahr 1952 zum Abschluss kam. Aus
den Restgruppen der jüdischen DPs (sie nannten sich „Gerettete Reste")5 und den
Restgruppen der deutschen Juden, die im Land bleiben wollten, bildete sich jetzt die
Mitgliedschaft der jüdischen Gemeinden (1959 betrug der Anteil der DPs in der jüdischen
Gemeinde von München 80%).

Ein erster Schritt, der ahnen ließ, dass sich die verbliebenen Juden auf Dauer einrichteten
, war die Gründung des „Zentralrats der Juden in Deutschland" im Jahr 1950

3 Micha Brumlik, Doron Kiesel, Cilly Kugelmann und Julius H. Schoeps (Hgg.): Jüdisches Leben
in Deutschland seit 1945. Frankfurt a. M. 1988. - Hans Ulrich Dillmann: Jüdisches Leben nach 1945.
Hamburg 2001. - Richard Chaim Schneider: Wir sind da! Die Geschichte der Juden in Deutschland
von 1945 bis heute. Berlin 2000. - Utz Jeggle: Gedächtnisprobleme in der Provinz. Hechingen 2001
(Schriftenreihe des Vereins Alte Synagoge Bd. 2).

4 Brumlik, Kiesel, Kugelmann, Schoeps (Hgg.), Jüdisches Leben (wie Anm. 3), S.O.

5 Dillmann: Jüdisches Leben (wie Anm. 3), S. 41.

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