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Claus Graf Schenk von Stauffenberg und die Herzöge von Württemberg
des familiären Umfeldes der beiden Brüder erscheint der Vater Graf Alfred sehr blass,
distanziert und altmodisch. Selbst wenn er gelegentlich autoritär auftrat und durchaus
auch laut werden konnte, müsste man ihn auch im Kontext der damals gängigen Vaterrolle
sehen.5 Dagegen wird bei der Mutter Gräfin Karoline, geborene Gräfin von
Üxküll-Gyllenband, immerhin erwähnt, sie habe immer wieder öffentlich und vernehmbar
über den Nationalsozialismus geschimpft, so dass man in der Familie Repressalien
der NSDAP befürchten musste.6 Angesichts der Tatsache, dass sie eher
schöngeistig veranlagt war und bei ihr offenbar auch lebensfremde Züge nicht fehlten,
schätzte man ihren Einfluss auf die Söhne eher gering ein.
Diese Feststellungen gelten in gleicher Weise für einen weiteren Beteiligten am Umsturz
des 20. Juli 1944, dem Stabsoffizier beim Militäroberbefehlshaber für Frankreich,
Cäsar von Hofacker (1896-1944)7 Als Sohn des württembergischen Generalleutnants
Eberhard von Hofacker (1861-1928) und der Albertine, geborene Gräfin von Üxküll-
Gyllenband, war er ein Cousin der Brüder Stauffenberg.8 Bei der Vorbereitung des Hitler
-Attentats koordinierte er die Verbindungen der Widerstandsgruppen in Berlin und
in Paris. Auch er war fünffacher Familienvater, aber er entschied sich noch nach dem gescheiterten
Putsch, den Widerstand gegen Hitler fortzusetzen, obwohl ihm die Flucht
mit hoher Wahrscheinlichkeit möglich gewesen wäre. Die familiären Beziehungen und
das gemeinsame Herkunftsmilieu der Attentäter aus dem Umkreis des ehemaligen
württembergischen Hofes legen immerhin nahe, dass schon in der Jugend Strukturen
vorhanden gewesen sein könnten, die sie schließlich - nach langen Jahren der Begeisterung
oder zumindest der Akzeptanz für den Nationalsozialismus - zum entschlossenen,
höchst riskanten Widerstand gegen Hitler veranlassten. Speziell die enge Verwandtschaft
der Mütter aus der Familie Üxküll-Gyllenband verdient Aufmerksamkeit, weil man auch
dort Motive der Resistenz gegen das totalitäre System vermuten muss.
Angesichts der Tatsache, dass sich die beiden Brüder Stauffenberg nie gegen die Familie
stellten und sich somit der Generationenkonflikt innerhalb eines durchaus normalen
Rahmens bewegte, erstaunt diese biografische Lücke. Noch befremdender ist die
Tatsache, dass erst vor wenigen Jahren der Widerstand des Hauses Württemberg, auf den
Paul Sauer bereits in seiner 1975 erschienenen Geschichte des Nationalsozialismus in
Württemberg kurz eingegangen war9, in Verbindung mit der Familie Stauffenberg gebracht
wurde.10 In den maßgeblichen Biografien sind die Mitglieder des Hauses Württemberg
kaum je erwähnt. So entgehen den Autoren wichtige Details, welche aufschlussreich
für die Motivation der Attentäter sein könnten.
5 Manfred Riedel: Geheimes Deutschland. Stefan George und die Brüder Stauffenberg. Köln 2006.
6 von Meding, Mut des Herzens (wie Anm. 3), S. 294 f.
7 Friedrich Freiherr Hiller von Gärtringen: Cäsar von Hofacker. In: Joachim Mehlhausen (Hg.):
Zeugen des Widerstandes. Ehemalige Studenten der Universität Tübingen, die im Kampf gegen des Nationalsozialismus
starben. Tübingen 1998, S. 65-90. - Kurzbiografle in: Maria Magdalena Rückert (Hg.): Württembergische
Biographien unter Einbeziehung hohenzollerischer Persönlichkeiten. Bd. 2. Stuttgart 2011,
S.130f.
8 Kurzbiografie Eberhard von Hofacker, in: Rückert, Württembergische Biografien (wie Anm. 7), S. 132 f.
9 Paul Sauer: Württemberg in der Zeit des Nationalsozialismus. Ulm 1975, S. 170 f.
10 Eberhard Fritz: Das Haus Württemberg und der Nationalsozialismus. Motive des Widerstands gegen
Hitler und seine Bewegung. In: Dowe, Adel und Nationalsozialismus (wie Anm. 4), S. 132-162.
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