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Vom Büchertisch.

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ihm Jaspers, der etwas besser wegkommt und gegen den ein paar berechtigte
Einwände gemacht werden.

Viel gründlicher und problemkundiger sind die neurologische und die konstitutionelle
Strömung behandelt Bei der neurologischen Strömung handelt es
sich in der Hauptsache um eine Seite des psychophysischen „Scheinproble,ms",
nämlich um das sogenannte Lokalisationsproblem, die Frage, an welchen Orten
des Großhirns eine körperliche Erkrankung besteht, wenn gewisse psychische
Veränderungen vorhanden sind. Bemerkenswert ist, eine wie große Anzahl von
pathopsychischen Phänomenen von Kleist in den Hirnstamm verlegt wird
(Dämmerzustände, die manischen und melancholischen Zustände, Paranoia,
Depersonalisation und anderes mehr). Nicht erkennbar wird, in welchem Maße
diese Auffassung sich auf positive Unterlagen stützt oder wie weit etwa die
Mangelhaftigkeit des histologischen Beweismaterials durch ein „zweifellos"
ersetzt wird.

Noch bedeutsamer erscheint Kleist die konstitutionelle Strömung, die auf die
Erforschung der „Veranlagung" zu bestimmten Störungen hinausläuft. Die Beziehung
zu den „Krankheitseinheiten" ist hier am größten, denn hier dreht es
sich um die schizoide, die manisch-depressive, die epileptische usw. Konstitution.
Das Ergebnis ist die Auflösung dieser bisherigen Krankheitseinheiten in eine
Reihe \on auch selbständig existieren könnenden Komponenten. „Die konstitutionelle
Strömung, meint Kleist, hat das durch die Erstarrung der ätiologischen
Fragestellung festgefahrene Schiff der klinischen Forschung wieder flott gemacht
." Die neurologische Strömung brachte ebenfalls kräftige Anstöße.

Die philosophische Strömung war dagegen für den Erkenntnisfortschritt
„unfruchtbar". Es gelte den „naturkundlichen Boden" der Psychiatrie zu „verteidigen
". Eine bloße Phrase! Denn es gilt tür die Psychiatrie wie für jede
andere Wissenschaft, ihr Objekt seinem ganzen Umfange nach kennen zu lernen
und in seinen Beziehungen zu anderen Objekten. D. h. die Psychiatrie hat die
pathologischen Zustände zunächst rein als solche zu analysieren und sodann
nach ihren Beziehungen zum Organismus zu fragen. Zur „Natur" im gewöhnlichen
Sinne des Wortes gehört nur der Organismus.

Trotz dieser meiner etwas scharfen Kritik ist die Schrift als allgemeine
Uebersicht aber reichhaltig, lehrreich und zu empfehlen. Es liegt auf der Hand,
daß es nicht mehr lange dauern kann, bis auch die Frage nach der „Medialen
Konstitution" und ihrer Einordnung in das psychiatrische Gesamtschema wie
ihrer Beziehung zu anderen Konstitutionen aktuell wird. Deshalb müssen die
Wandlungen in der Psychiatrie auch vom parapsychologischen Standpunkt aus
sorgfältig verfolgt werden. * O e s t e r r e i c h - Tübingen.

J. Godfrey Raupert. Der Spiritismus im Lichte der vollen Wahrheit. Verlaos-
anstilt Tyrolia, Innsbruck-Wien-München. (Ohne Jahr.) 90 S.

Der Schrift kommt Bedeutung vor allem dadurch zu, daß sie den offiziellen
Standpunkt der katholischen Kirche zum Mediumismus vertritt. Ein faksimilierter
im Auftrage des Papstes geschriebener Brief des Kardinals Gasparri an
den Verfasser läßt darüber keinen Zweifel, daß er von der höchsten Stelle zu
seiner publizistischen und sonstigen Tätigkeit autorisiert ist. Inzwischen sind
mir allerdings Aeußerungen aus katholisch-theologischen Kreisen bekannt geworden
, aus denen hervorgeht, daß der theoretische Standpunkt Rauperts trotzdem
dort keineswegs überall Beifall findet. (Um eine formell dogmatische
Lehre der Kirche handelt es sich vorläufig nicht.)

Ueber die sachliche Qualifiziertheit Rauperts muß das Urteil in hohem Maße
günstig lauten. Er war früher Mitglied der englischen Society for Psychical
Research und hat offenbar eine große persönliche Erfahrung in England und
Amerika hinter sich. Es überrascht deshalb nicht, daß sein Urteil über die
mediumistischen Phänomene ohne Einschränkung positiv lautet. „Es ist wirklich
nicht nötig", meint er, „daß man noch Zeit und Mühe mit den Zweiflern vergeudet
." Er ist sichtlich ganz unbefangen eingestellt gewesen in seinen Beobachtungen
, und es ist überaus interessant feststellen zu müssen, daß man mitten
im strengsten Katholizismus, im Herz der Kirche, in diesen Dingen in gewissem
Umfange wissenschaftlich viel weiter ist als manche sogenannte „Koryphäen
der Wissenschaft", die noch immer den Wald vor Bäumen nicht sehen können.


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