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Zeitschrift für Parapsychologie. 5. Heft. (Mai 1926.)



zustand hinüber, um das Gehörte dann nachträglich aufzuschreiben. Was ihr
beim Erwachen etwa entfallen sein sollte, meldet sich im Laufe des Tages
wieder, geht also nicht verloren. Merkwürdig häufig sieht sie sich bei dieser
Art der Vision an Spinetten, also heute veralteten, klavierähnlichen Instrumenten
, sitzen und spielen. — Ein andermal, und das sind anscheinend die
werlvollsten Gaben, die sie empfängt, befindet sie sich geistig außerhalb
des Zimmers und nimmt die Musik selber als Bild oder Bilderfolge wahr.
„Wenn ich draußen bin, frei, dann kommt mir die andere, die große Musik,
die ich nicht kenne, nie gehört habe!"

„Ich bin z. B. in einem wunderbaren Garten, ich höre einen vielhundert-
stimmigcn Vogelgesang. Doch nirgends ein Vogel. In dem Garten steht
eine strahlende Gestalt — dieses Bildwerk ist der Gesang!

Ferner: Ich sehe Birken auf einem blumenübersäfen Abhang, ein strahlendes
Licht über allem. Und eine Luft! Die Atmosphäre in diesem Zustande
läßt sich nicht beschreiben. Regungslos stehe ich mitten darin und höre eine
Musik, so weich, so zart, so traumhaft schön. Doch nirgends ein Instrument
, kein Spieler, auch ich nicht! Das Bild selbst ist
wohl die Musik. Es tönt, oder die Musik bildet das Bild, ich weiß es
nicht. Wenn ich dann dieses Wunderbare höre, dann überkommt mich ein
Taumel, eine Glückseligkeit, und wenn ich die ungeheuere Unendlichkeit,
dieses gigantenhaft Große schaue, dann faßt mich Zittern und Zagen; wie ein
ganz winziges Staubkörnchen komme ich mir >oi Bemerken möchte ich noch,
daß die Musik, die ich bekomme, einen merkwürdig düsteren Charakter hat,
schwer und wuchtig, die verminderten Septimen jagen sich, meistens alles
in Moll, und zwar die dunkelste Es-Moll. Ich bin wohl ernst veranlagt, habe
aber eine ganz besondere Vorliebe für das Flinke, Leichte, Springende, Gazellen
, Gemsen, leicht gehende Pferdchen — und nun diese schwer3 Musik!"

In der Tat bewegen sich die meisten Kompositionen in Moli-Tonarten.
Die Musik bildet sozusagen die Antithese zur Dur-Veranlagung im Wachzustande
, kann \ielleicht als ihr Gegenpol gelten.

Die geschauten Bilder sind gewöhnlich sehr schön. So heißt es einmal:
„Ich stand auf einer Anhöhe, und an mir vorüber zog ein Bach, und das
Wasser des Baches war über und über mit Blumen besät. Schneeweiße Rosen,
die die Größe von Menschenköpfen hatten, schneeweiße Chrysanthemen, Orchideen
, Blumen, die ich nie im Leben gesehen, und jede neue Formation
4 v o n Blumen brachte einen Akkord mit. Das Ganze formte sich
zu einem Trauermarsch, tiefe dunkle Akkorde, dazwischen wie Glockengeläut
, und ich stand und lauschte und wußte: Alle die schneeweißen Blumen
sangen ein Requiem, und ich nahm es in Musik wahr."

Wir finden hier also eine merkwürdige Verschmelzung des Musikalischen
mit malerischen Elementen, und man erinnert sich,
daß die erste Liebe der Künstlerin tatsächlich der Malerei gegolten hat. Auch
denkt der psychologische Fachmann bei diesen Schilderungen unwillkürlich
an das interessante Phänomen des sog. Farbenhörens, das bekanntlich
in einer automatischen Verknüpfung von Lauten, wie Vokalen, Konsonanten
usw. mit bestimmten, bei denselben Menschen immer in gleicher Weise wiederkehrenden
Farbenempfindungen besieht.

Bemerkenswert ist die Fruchtbarkeit der Künstlerin: Oft wird die eine
Inspiration unmittelbar von der anderen abgelöst. Bis Dezember 1926 lagen


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