Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z6
Zeitschrift für Parapsychologie
9=61.1934
Seite: 27
(PDF, 78 MB)
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Pfeifer: Freiheit, Schicksal, Glaube usw.

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sehen Zaren familie, die zuvor ebenfalls in Abhängigkeit, Hörigkeit von dem
berüchtigten Ilasputin gelebt hat. Zahllose Beispiele aus dem Volksleben können
mit gleicher Deutlichkeit zeigen, daß liier verhängnisvolle Mächte am Werke sind.

Aber ist es nicht doch so? Wenn Hellsehen in die Zukunft möglich ist, ist
dann nicht die Freiheit des menschlichen Wollens Illusion? Wenn bestimmte
kommende Ereignisse anscheinend schon vorher feststehen, dann kann es doch
keine Freiheit des Wollens und Handelns geben. Ehe man zu solchen theoretischen
Spekulationen greift, muß man "der Wirklichkeit ganz klar ins Auge sehen.
Ist die Willens- und Handlungsfreiheit wirklich ausgeschlossen? Gerade die >on
Herrn v. Winterfeld angeführten Beispiele zeigen das Gegenteil. Der Bruder
des Herrn v. Winterfeld erhält 1929 den Rat, auf keinen Fall weiterzufliegen,
wenn er sein erstes Ziel (Moskau) erreicht hat. Er fliegt aber doch weiter, und
gerade dadurch, daß er seinem eigenen Willen folgt, erfüllt sich die Vorhersago
des Propellerbruches tind der Notlandung im Kaukasus. Dies ist geradezu
typisch für solche Erlebnisse. Ein klassisches Beispiel dieser Art stellt die bekannte
ödipussage dar. Hier will der Held sogar bewußt seinem Schicksal entfliehen
, aber gerade dadurch läuft er ihm in die Arme. Die griechischen Tragiker
hatten für diese Dinge ein sehr feines Empfinden. Auch hier ist der freie
Wille nicht ausgeschlossen, sondern gerade Bedingung, aber er sieht sich einem
anderen dämonischen Willen gegenüber, der ihn ereilt und ihn überlistet, Gerade
darauf beruht der unheimliche Reiz solcher „Schicksale'* und jenes sonderbare
Etwas, das uns in tiefster Seele erregt. Auch das folgende islamische Gedicht
des Mesne\i (nach 11. Otto: das Heilige S. 119) zeigt sehr deutlich, um
was es geht:

In Not kommt mancher, sich der Not entziehend,

Stößt auf den Drachen, \or der Schlange fliehend.

Ein Netz stellt jener, und^hn selbst umschlingt es.

Was Leben er gewähnt, sein Herzblut trinkt es.

Der schließt 'die Türe, wenn der Feind schon drinnen.

Als Pharao, dem Unglück zu entrinnen,

Zahlloser Knäblein schuldlos Blut vergoß,

War das, wonach er suchte (Mose), in seinem Schloß.
In all diesen Fällen handelt es sich nicht um Schicksal in dem Sinne, daß
ein fertig ausgearbeitetes Schulpensum oder ein Uhrwerk abläuft, sondern um
einen höchst lebendigen Willen, der sich dem Willen des Menschen rätselhaft
oder unheimlich entgegenstellt. Der Mensch findet sein Planen von einem stärkeren
Planen durchkreuzt. Wir befinden uns hier noch nicht in der Sphäre
eigentlich religiöser Erlebnisse, es ist der dunkle Hintergrund des Glaubens, die
Well des Dämonischen. Goethe beschreibt dieses Dämonische in Dichtung und
Wahrheit: ,.Es war nicht göttlich, denn es schien unvernünftig, nicht menschlich
, denn es hatte keinen Verstand, nicht englisch, denn es ließ oft Schadenfreude
merken. Es glich dem Zufall, denn es bewies keine Folge; es ähnelte
der Vorsehung, denn es deutete auf Zusammenhang. Alles, was uns begrenzt,
schien für dasselbe durchdringbar. Es schien mit den notwendigen Elementen
unseres Daseins willkürlich zu schalten, es zog die Zeit zusammen und dehnte


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