Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z6
Zeitschrift für Parapsychologie
9=61.1934
Seite: 129
(PDF, 78 MB)
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Kleine Mitteilungen.

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heit hin. Das schlafende Medium erhebt sich, breitet segnend seine Hände aus
und sobald der letzte Laut verklungen, erfolgt in gebrochenem Englisch ein
etwas pathetisch gesprochenes, kurzes Gebet, daran anschließend Worte in einer
mir unverständlichen Sprache. Hierauf sinkt Jones auf den Stuhl zurück, tief
ruht der Kopf auf der Brust.

Die Anwesenden intonieren das „Vater unser". Ein erneutes Durchzucken,
ein kräftigeres Straffen der Muskeln und wieder steht das Medium mit geschlossenen
Augen vor uns. Im Gegensatz zu vorher, verrät jede Bewegung Frische
und Jugendlichkeit.

„Medecine Man", raunt man mir zu.

Rasch entfaltet er das zusammengelegte Tüchlein, steckt einen Zipfel in den
Kragen, reibt sich tüchtig die Handflächen und fährt mit der rechten dem
Tischrand entlang. Zuletzt stellt er sich, ungeduldig auf den Zehen wippend, die
Hände auf die Lehne gestützt, hinter den Sessel. Nach kaum erfolgtem Amen
entbietet er uns seinen Gruß und Segen. Sein Englisch ist des fremdländischen
Akzentes wegen nicht sehr leicht verständlich.

Und nun beginnt eine fieberhafte Tätigkeit. Der erste Paäent schafft sich
auf Stöcken mühsam zu ihm heran. Ich diagnostiziere eine sog. Littlesche Krankheit
, (eine cerebral bedingte spastische Starre, bzw. eine spastische Parese beider
Beine). Des Mannes Knie sollen sich berührt haben, jetzt sind sie mindestens
zwei Handbreiten voneinander entfernt. Medecine Man soll behaupten, daß noch
alles gut werde.

Während das schlafende Medium Striche ausführt, bald mit den Händen wie
zum Empfang einer Substanz in die Luft greifend, bald vom Körper Abgestreiftes
wegschleudernd, stehen die Assistenten in seiner Nähe, hoben auf sein Geheiß
gleichzeitig die Hände hoch, um sie, auf ein weiteres Zeichen hin, blitzschnell
zu senken, die straffgestreckten Finger fast dolchartig auf eine angegebene
Stelle des Körpers richtend. Patient folgt auf Patient, kaum daß auf den
einzelnen ein paar Minuten entfallen. Für jeden hat Medecine Man ein freundliches
Wort, jedem reicht er die Hand zum Abschied, ihn der Obhut des „großen
Geistes" empfehlend. Kinder werden mit einem Kuß empfangen und entlassen
. Bei der schon erwähnten Kleinen führt er seine Hand wiederholt von
ihrem Hinterhaupt zum Tischrand. Man möchte meinen, er entnähme ihrem
Köpflein etwas und lege es aut den Tisch. Diese Bewegung mag wohl die
Leute veranlassen, zu sagen, er ziehe das Gift heraus.

Ich staune und verstehe nichts. Wer ist Sunshine? Wer ist Medecine Man?
Liegt da nicht nur eine doppelte persönlichkeit dieses Mediums vor? Ist nicht
alles bloße Suggestion? Ich bezweifle zwar, daß man einen Little durch
Suggestion zu heilen vermag, eine Meningitis bessert sich mitunter wider alles
Erwarten und zum großen Staunen der Ärzte. Hier aber? Wen Soll ich fragen?
Um mich herum Gläubige. Da ist von vornherein jede Diskussion ausgeschlossen
, fängt doch der Glaube da an, wo das Wissen aufhört. Meine Kollegen?
Die meisten würden mitleidig lächeln, mich den Kandidaten einer beginnenden
Schizophrenie (Spaltungsirresein) zuzählen, sich« aber weiter um nichts kümmern.

Es bleibt mir somit nichts anderes übrig, als mich selbst zu Medecine Man
zu begeben und zuzuhören, was er mir zu sagen weiß. Noch kann ich mich
nicht mit dem Gedanken befreunden, coram publico dazustehen. Außerdem muß
ich lernen, von dem sogenannten Standesbewußtsein abzusehen und es riskieren,
eventuell einem Charlatan in die Hände zu fallen. Ohne meine Metallnummer
benützt zu haben, gehe ich weg, in der festen Absicht, so oft wiederzukommen,
bis ich mich für oder gegen Medecine Man entscheiden kann.

2.

Da Medecine Man nur Mittwochs und Donnerstags im Marleybonehaus
arbeitet, stelle ich mich in der nächsten Woche wieder ein. Diesmal warte ich,
bis es an meiner Reihe ist. Dem Beispiel der andern folgend, gehe ich schlankweg
auf das vor mir stehende Medium zu, setze mich hin und lege beide Hände
auf den Tischrand. Da die Gehilfinnen in mir den Neuling erkennen, machen sie
Medecine Man, der eben zu behandeln anfing, darauf aufmerksam. Er hält in
seinen Bewegungen inne, neigt sich zu mir und fragt, wie lange ich mich körperlich
nicht wohl fühle. Trotzdem ich noch von einer verjährten Grippe her an

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