Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z6
Zeitschrift für Parapsychologie
9=61.1934
Seite: 172
(PDF, 78 MB)
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172

Zeitschrift für Parapsychologie. Heft 4. (April 1934.)

Inhalt zustande, den ich als einzelner sittlich wollender Mensch auf Grund meiner
individuellen Beschaffenheit dem allgemeinen Sollensgesetz gebe.

Wir stoßen also auf den letzten prinzipiellen Gegensatz zwischen der einen
allgemein-verpflichtenden ethischen Forderung und der zu gestaltenden Vielheit
unendlich mannigfaltiger Seelenströmungen; denn alle Wertmaterien (als prin-
eipium indhiduationis) haben wir letzthin auf das Leben zurückzuführen.

Ist aber das gestaltende Sittengesetz allgemein und formal, so ist es auch
die geistige Person, die aus dem Bios in Hinwendung zur ethischen Norm herausgebildet
wird. Alles Inhaltliche, das der Individualität des Lebens entstammt
, gilt es aus dem ethischen Selbst zu entfernen, was zu erfüllen natürlich
eine im Endlichen nie ganz auszuschöpfende Aufgabe darstellt. Sich trotz aller
individuellen emotionalen Seelenströmungen durch die mannigfaltigen Lebenssituationen
hindurch mit seinem eigenen Grundsatz zu identifizieren, das ist
ethische Größe. Denn wie alles Individuelle, so ist auch die Einmaligkeit der
Situation für die ethische Normerfüllung gleichgültig.

Unter den empirisch verinhalteten Wertphänomenen ist es vielleicht der
Wert der Gerechtigkeit, der in seiner Forderung, jedem Mitmenschen das ihm
Gebührende unabhängig von Sympathie und Antipathie zu verleihen, dem besagten
Ideal am nächsten kommen dürfte.--

Kam es dem ethischen Streben nach Normerfüllung lediglich auf Gründung
eines allgemeinen Selbstes unter Ausschaltung aller individuellen Momente an,,
so ist das Gegenteil im religiösen Erlösungsstreben der Fall. Hier kommt es gerade
auf Konkretisierung des Lebens an, auf Entfaltung der individuellen Möglichkeiten
des Menschseins, der „Jemeinigkeit", um die es nach Heidegger1)
dem religiösen Menschen geht. Stellte die ethische Normerfüllung ein Streben
dar, welche» sich von der Realität des Lebens wegbewegte, und konnte man es als
ein Entlebendiguiigsstrebert charakterisieren; so geht es dem celigiösen Streben gerade
um die Erhaltung seines konkret-individuellen Lebens; es verdient daher die
Bezeichnung eines Verleb€;ndigungsstrebcns. Selbst dem buddhistischen Mönch
geht es um sein eigenes Leben bei aller Abtötung der Bedürfnisse, die dem
Wechsel des Lebens zugewandt sind; was er verlieren will, ist nicht sein eigenes
Lebeft schlechthin, sondern die Qual des wechselnden Auf und Ab im Kreislauf
der Geburten.

Ebenso wie es dem ethischen Streben des Menschen nur durch Hingabe an
das absolut geltende Sittengesetz möglich war, (als allgemeine Person) er selbst
zu werden: so bedarf die religiöse Natur ebenfalls eines festen Ruhepunktes, an
dem sie sich anklammern und zu sich selbst emporranken kann: der Gottheit,
vor der sie sich in steter Entscheidung befindet. Das religiös-individuelle Selbst
kann aber nicht wie die ethische Person unter Absehung von allen einmaligen
Situationen des Lebens realisiert werden. Sein religiöses Selbst hat nur der für
sich, der die ganze Fülle seiner einmaligen und bei aller Vergangenheit un-
wiederholbaren Entscheidungen wahrheitsgetreu in sich bewahrt. Er hat es, um
ganz exakt zu reden, vielmehr nicht für sich allein; sondern erst durch offen-

') Heidegger, „Sein und Zeit" 1927 (Vorrede).


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