http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_parapsychologie1961-04/0111
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HANS BENDER
gelangen. Es sind bedeutungsvolle, von der Wirklichkeit manchmal
nicht zu unterscheidende Visionen, ein Wahrträumen im Wachen, physiologisch
eine aus dem Innern des Organismus verursachte Hirnerregung
, die dann nach außen projiziert wird. Diese Erscheinungen sind
also keine reale Gegenwart wie die eines auf die Sinne wirkenden Körpers
. Wie aber steht es mit dem Erscheinen von Verstorbenen, wie es
der Spiritismus behauptet, der gerade um die Zeit der Veröffentlichung
von Schopenhauers Abhandlung, von Amerika ausgehend, sich wie eine
Epidemie über die ganze Erde verbreitete und das persönliche Überleben
des Todes experimentell beweisen wollte? Schopenhauer faßt diese
Phänomene als ein durch das Traumorgan vermitteltes Erkennen des
Vergangenen auf, wobei er auf die, solche Erscheinungen auslösende
Rolle der Objekte hinweist, die dem Verstorbenen gehörten. Er kennt
den Sachverhalt, den die moderne Parapsychologie als «Psychometrie» -
die Hervorrufung paranormaler Eindrücke durch Gegenstände (Induktoren
) - bezeichnet. Ganz wie es die moderne Kritik des Spiritismus tut,
führt Schopenhauer auch die postmortale Enthüllung nur dem Verstorbenen
bekannter Geheimnisse durch den angeblich Erscheinenden oder
durch seine halluzinatorisch gehörte Stimme auf das hellseherische Vermögen
Lebender zurück. Doch leugnet er nicht prinzipiell die Möglichkeit
, daß eine magische Wirkung auch von einem Verstorbenen ausgehen
könnte, da «der Wille, sofern er das Ding an sich ist, durch den Tod
nicht zerstört und vernichtet wird», ein Gedanke, den er in seiner Abhandlung
: «Von der Unzerstörbarkeit unsers wahren Wesens durch den
Tod» in einer Polemik gegen das persönliche Überleben des Individuums
näher ausführt. Klar sieht er das Problem des Nachweises einer Wirkung
von Verstorbenen, der von den Spiritisten in einer Haltung des Wunschdenkens
konkretistisch vereinfacht wird, nach der Meinung der kritischen
Parapsychologie aber kaum zu erbringen ist: «Da wir das im Tode unversehrt
gebliebene innere Wesen des Menschen uns zu denken haben als
außer der Zeit und dem Räume existierend, so könnte eine Einwirkung
desselben auf uns Lebende nur unter vielen Vermittlungen, die alle auf
unserer Seite lägen, stattfinden, so daß schwer auszumachen wäre, wie
viel davon wirklich von dem Verstorbenen ausgegangen wäre»*.
* Vgl. hierzu G. N. M. Tyrrell: Mensch und Welt in der Parapsychologie. Mit
einem Nachwort von Prof. H. Bender, übersetzt von H. Bender und I. Strauch,
Hamburg i960, Kap. VII.
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