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hend eilte es- in den Hof und von da in den
Keller, aus dem es gleich wieder mit dem
Verlangten erschien und sich anschickte, rasch
in die Wirtsstube zurückzukehren.
Wie es die Hof treppe hin auf hastete, wuchs
plötzlich zu seiner Seite aus der Dunkelheit
eine männliche Gestalt, und eine verhaltene
Stimme rief leise :
« Mamsell Cecil ! » —■
Zusammenfahrend klammerte sich das Mädchen
mit der freien Hand an das Geländer
der Treppe, und in einer, deutlich von freudigem
Schreck durchzitterten Stimme gab es
ebenso leise zurück :
« Jetzt habt ihr mich aber erschreckt,
Konrad ! »
« Das tut mir nun wirklich sehr leid », entgegnete
gedämpft der näher getretene junge
Mann, « und ich bitte recht herzlich um Entschuldigung
. Mit dieser Absicht sprach ich
euch sicher nicht an ; nur fragen wollte ich,
ob es euch vielleicht bekannt ist, warum mich
die Meisterin, eure Mutter, heute Abend so
hart angefahren und ungerechtfertigt gescholten
hat. Ich habe doch immer anständig meine
Pflichten erfüllt. Es hat mich tatsächlich in
allen Fingern gejuckt, ihr gleich den Dienst
aufzukünden, so fühlte ich mich beleidigt.
Wenn ihr nicht gewesen wärt, Mamsell Cecil...»
« Ihr müsst das nicht so tragisch nehmen,
Konrad », unterbrach das Mädchen ein wenig
rasch und hastig. « Mutter war jedenfalls nur
schlechter Laune, und da wiegt sie halt ihre
Worte nicht so genau. —■ Nein Konrad, wir
haben sicher nichts auszusetzen an euch, und
ihr seid immer gleich geschätzt und... ! —
Aber jetzt muss ich gehen, — drinnen wartet
nämlich ein Gast auf mich ! »
Schnell sprang das Mädchen bei den letzten
Worten die Treppenstufen hinauf und verschwand
hinter der Türe.
Der Bursche wandte sich mit einem leisen
Seufzer um und wollte eben in das tiefe Hofdunkel
zurücktreten, als neben ihm in schwach
umrissenen Formen eine andere männliche
Gestalt auftauchte. Ein unterdrücktes häss-
liches Lachen wurde erst hörbar und dann
eine Stimme :
« Ei sieh' da, — ich habe wohl gestört,
was ? »
Der Konrad fuhr unwillkürlich, wie tief
erschreckt, zusammen, und ein wenig stotternd
klang seine Antwort :
« Ich wusste nicht — in was — und in wie
fern — ihr gestört haben solltet ! — Nur
verwundert bin ich, wie ein Fremder hierher
kommen konnte ; ich habe doch das Hoftor
schon längst geschlossen. »
Der plötzlich Aufgetauchte lachte wieder,
unangenehm und breit. •—
« Ja, ein Fremder ist der Schambediss halt
nicht hier ; — er weiss wohl, dass man um das
Haus herum ganz gemütlich in den Hof treten
kann. Wenn ich mal Herr hier bin, wird
der schmale Schlupf sicher sofort zugemacht. ■—
Jetzt war es ja gut, dass ich herein getappt
bin. — Muss es doch gleich der Bärenwirtin
sagen, was da vorgeht. Die wird sich freuen...».
Noch einmal erklang das hässliche Lachen ;
dann verschwand der Sprecher in der Finsternis
in der Richtung des engen Ganges.
Auch der Konrad wandte sich langsam
seiner gegenüber im Stallgebäude sich befindlichen
Kammer zu. Als seine Gestalt einen
Moment in den aus dem Küchenfenster dringenden
Lichtstrahl tauchte, konnte man beobachten
, wie der Kopf weit vornübergebeugt
war.
Wenige Minuten später betrat der Schambediss
durch den Haupteingang die niedere
Wirtsstube und setzte sich breit an den der
Türe am nächsten stehenden Tisch. Das Lachen
war ihm scheint's vollständig vergangen ; im
Gegenteil machte er ein recht mürrisches
Gesicht und auch die Stimme klang ärgerlich,
als er bei der herangetretenen Cecil seine
Bestellung machte.
Die recht grob gehauenen Züge des Burschen
wurden durch diese Gemütsbewegung natürlich
nicht schöner ; eher vertieften sich noch
die harten Linien um den zusammengekniffenen
Mund, und der hochmütige, unangenehme
Ausdruck trat noch schärfer hervor.
Wie aber die Cecil wieder herantrat und das
gefüllte Glas vor den Gast stellte, verschwand
wie auf Kommando die im Gesicht geschriebene
schlechte Laune ; er lächelte süsslich, rückte
einen Stuhl herbei und bat das Mädchen
mit herzlich sein sollenden Worten an seinem
Tische Platz zu nehmen ; es hätte doch jetzt
ein wenig freie Zeit.
Die Cecil schien von der Einladung unangenehm
berührt ; sie zuckte zusammen, fasste
sich aber rasch, und ruhig und freundlich
lehnte sie ab. Zu ihrer Entschuldigung brachte
sie vor, dass sie jetzt gar keine Zeit zum Plau-
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