Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., S 8624-58.1936
Almanach agricole d’Alsace et de Lorraine: Landwirthschaftlicher Kalender
Strasbourg, 58. Jahrgang.1936
Seite: 89
(PDF, 47 MB)
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wurde auf den Gesundheitszustand, bezw. auf
die im Patienten steckende Krankheit geschlossen
, und fand sicli deshalb zu beiden
Seiten des « Aderlassmännleins » nachstehende
Tabelle :
Ist das Blut :

I. Schön roth, oben auf mit wenig Wasser
bedeckt, ist gute Gesundheit. ■—■ 2. Roth,
schaumig, zu viel Geblüt. — 3. Roth, mit einem
schwarzlechten Ring, Hauptweh. — 4. Schwarz,
mit Wasser untersetzt, Wassersucht. — 5.
Schwarz, mit Wasser überschwemmt, böse
Fieber. — 6. Schwarz mit einem Ring, Gicht
und Zipperle. — 7. Schwarz, schaumig oder
eyterig, böse Feuchtigkeit, kalte melancholische
Flüss. — 8. Weiss, zähe feuchte Flüsse. — 9.
Weiss umschaumt, bedeutet dicke Feuchtigkeit
und Flüss. —< 10. Blau, weh zum Milz oder
Melancholie, böse Feuchte. ■— II. Grün, eine
hitzige Gall oder Weh zum Herzen. — 12.
Gelbbleich, die Leber ist beschädigt, Anstoss
zur Gall. — 13. Gelb und schaumig, bedeutet
zu viel Herzwasser. — 14. Ganz wässerig,
schwarze Leber, oder der Magen mit Wasser
überschwemmt. — 15. Dick und hart und zäh,
zeigt des Leibes Verstopfung oder Melancholie.

Schliesslich begann man allmählich einzusehen
, dass das allzuviele Aderlassen denn
doch eher gesundheitsschädlich, als gesundheitsfördernd
wäre, und berufene Leute mahnten
und warnten vor diesem Missbrauch der
Natur, und selbst die Kalenderschreiber der
damaligen Zeit traten gegen diesen Unfug auf,
obwohl sie das « Aderlassmännlein » doch noch
bringen mussten, um den Ansprüchen aller
ihrer Leser gerecht zu werden.

So finden wir im Jahrgang 1828 des « Jüngeren
Hinkenden Boten », vor dem Aderlassmännlein
folgenden beherzigenswerten Artikel : « Da viele
dumme Leute, und mancher Heyne und Joggle,
Sepp und Rudi den Kopf schütteln würden,
wenn das Aderlassmännlein nicht im Kalender
stünde, den sie kaufen wollen, sintemal es
ihnen bis dahin guten Rat gegeben haben soll,
zwar nur nach ihrer und des Scherers (Barbiers)
Meinung ; so will ich diesen und anderen
ungezählten Leuten zu lieb, dasselbe hersetzen ;
will aber dabei Jedermann zu bedenken geben,
dass das beste Blut durch den Aderlass fortgeht
, das grobe, schlechte aber zurück bleibt ;
und dass Vollblütigkeit besser mit fleissiger
Leibesbewegung, mit Wassertrinken und Enthaltung
von Fleischspeisen, als durch Aderlassen
aufgehoben werde. Doch wenn einer
aber glaubt, durchaus zu Ader lassen zu

müssen, so frage er einen rechtschaffenen,
gelehrten Arzt, aber nicht das Aderlassmännchen
, den Quacksalber, ein altes Weib usw. ;
denn das Aderlassen kann bei Gelegenheit
und gewissen Vorfällen des Lebens sehr gut und
nützlich seyn, z. B. bei Schlagflüssen, starken
Erschütterungen durch Fall und sofort. Der
Kuriosität halber lassen wir aus demselben
Kalender noch einige alte Rezepte folgen :
« Haussmittel für Herrn und Bauern gegen die
Hypochondrie ». Hypochondrie ist eine Krankheit
, die im Unterleib ihren Sitz hat, und von
einer reizenden, auf die Nerven wirkenden
Schärfe herrührt. Personen, welche sehr reizbar
sind, und viel sitzen oder sich wenig Bewegung
geben, werden am heftigsten davon
angefallen ; sie artet oft in Melancholie und
Schwermut aus. Als bewährtes Mittel gegen
dieses Ucbel wird folgendes empfohlen. Man
nimmt zwei Ellen feinen Bettparchend, rollt
diese zusammen und reibt morgens, ehe man
aufsteht, in Absätzen von 15 und 20 Minuten
lang alle Theile des Unterleibs, sowie einige
Minuten auch den Rtickgrad. Nach dem Aufstehen
trinke man eine Tasse Kaffee, rauche
eine Pfeife Tabak, nehme ein angenehmes
Buch, und suche einen gewissen Ort auf.
Man esse öfters Fleisch und Fleischsuppen.
Eine Stunde nach der Mahlzeit trinke man
einige Gläser guten rothen oder weissen Wein,
Elsässer oder Markgräfler, oder beide vermischt,
sind am besten. Im Sommer trinke man irgend
ein mineralisches Stahlwasser, aber nur höchstens
4—5 Gläser in einem Zeiträume von
etlichen Stunden (ganz nüchtern ist es mehr
schädlich als nützlich). Nachmittags können
wieder einige Gläser mit oder ohne Wein getrunken
werden. Das Reiben hat noch den
Nutzen, dass es kräftig mitwirkt, Verstopfungen
der Leber zu heben, da es sehr oft der Fall
ist, dass diese leidet.

« Item, gegen das Gliederreissen ». Die Gicht,
das Gliederreissen, oder in der Sprache des
Landvolkes, Gsichte, sind ein sehr gewöhnliches
Uebel, mit dem unzählige Menschen
behaftet sind, das heftige Schmerzen verursacht
, und gegen welches allerlei Mittel, hauptsächlich
Badkuren, versucht werden. Vor einigen
Jahren besuchte ich einen 75-jährigen Mann,
und fand ihn an demselben, daran er seit
langer Zeit gelitten hatte, äusserst elend und
ganz kontrakt. Nach etwa einem halben Jahre
begegnete mir dieser Mann auf der Strasse
und gieng frisch und munter einher. Auf mein
Befragen, wodurch er so weit hergestellt wor-

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